Erfolg
das hatte er noch vor einem halben Jahr für unmöglich gehalten. Damals hätte er eher vermutet, das ganze Deutschland werde diesen Tag feiern als den Ehrentag seines Erretters.
Da hockte er also vor Berg und Nebel, paffte in seine kurze Tiroler Pfeife, grinste. Heute war ein guter Tag, Bilanz zu machen. Wenn es ihn jetzt erwischte, wenn er jetzt abkratzen müßte, zu dieser Stunde, hatte er viel ausgelassen in seinen fünfzig Jahren, hatte er viel zu bereuen? Nichts hatte er zu bereuen. Wenn er sein Leben um und um drehte, es war ein gutes Leben, er brauchte, wenn er ja dazu sagte, die Stimme nicht zu dämpfen. Er war ein Bayer, ein alpenländischer Mensch. Bayern und die Zeit paßten nicht recht zusammen: um so schlimmer für die Zeit. Klenk hieß Klenk und schrieb sich Klenk. Ihm war es recht, daß er nicht zu diesem glatten Allerweltsgeschwerl gehörte.
Seine Bücher, sein Berg, sein Wald, sein Jäger, er selber, eine bessere Gesellschaft gab es nicht. Es war nicht schlecht,allein zu sein. Er dachte an jene Jagd in den italienischen Bergen; so ein Steinbock war ein ganz vernünftiges Tier. Einen gewissen Simon freilich hätte er heute gern hier gehabt. Aber den zu verständigen, konnte er sich nicht überwinden. Wie er damals im Krach von den Patrioten geschieden war, hätte er den Simon gern mitgenommen, weg von den Patrioten, mit heraus nach Berchtoldszell. Aber der Simon, das Früchterl, wollte nicht. Ihm gefiel es in München, er dachte nicht daran, auf dem Land zu versauern. Wie Klenk heftig wurde und befahl, trotzte er ebenso heftig dagegen. Äußerte unmißverständlich und grob: mit Gewalt kommen könne ihm keiner. Wenn der Alte die gekränkte Leberwurst spielen wolle, so sei das seine Sache. Klenk hob die Hand, bezwang sich. In allem Zorn freute er sich, wie sein Junges ihm nachgeriet. Der gleiche braunrote Schädel, die gleichen Augen, deren Weiß ins Bräunliche spielte, die gleiche Gewalttätigkeit.
Da stand er auf seinem Berg, riesig, die abgetragene Lederjoppe über der blütenweißen Wäsche, gereckt den spärlich bewachsenen, knochigen Schädel, ein doppelter Coriolan. Er wartete, daß sein Land ihn rufe, und er wartete, daß die Patrioten ihn riefen, und er freute sich darauf, beide schallend zur Kirchweih zu laden. Gespannt schaute er zu, wie Flaucher mit dem Reich, wie Kutzner mit dem Flaucher kämpfte. Zu spät, meine Herren. Der Reindl hat nicht auf Sie gewartet. Der ist längst abgefahren, die Geschichte an der Ruhr ist aus, Sie haben Ihren Zug verpaßt. Da hätten Sie früher aufstehen müssen, meine Herren.
Er kehrte von der Gschwendthütte zurück in das Haus von Berchtoldszell. Starke Hitze ging aus von dem großen Kachelofen, füllte die weite, derbe Stube. Er saß auf der Holzbank, rauchte stark, schaltete den Rundfunkapparat ein, um die letzten Nachrichten zu hören. Die Veronika trug die Speisen auf. Er aß kräftig, reichlich. Trank. Seitdem er hier in Berchtoldszell war, hatte er keine Angst mehr wegen seiner Nieren. Nach dem Essen saß er lange, döste vor sich hin. Hatman nicht angerufen? Hat keiner nach ihm verlangt? Nein, niemand hat angerufen, weder der Flaucher noch der Kutzner hat nach ihm verlangt.
Es war gut, allein zu sein; aber man konnte nicht den ganzen Tag auf den Zusammenbruch der Wahrhaft Deutschen warten. Er schrie herum mit der Veronika. Nahm eines seiner Bücher, ging hinaus in den Wald. Saß auf einem Baumstumpf, las von Recht und kulturwissenschaftlicher Logik, träumte, las wieder, kritzelte höhnische Glossen an den Rand.
Wer waren die beiden, die auf ihn zukamen, der forsche Herr und die zierliche Dame? Sakrament. In seinem Hirn erklangen die dumpfen Paukenschläge jener Ouvertüre. Eine großartige Geburtstagsüberraschung war das. Er wird das Nein ganz ausschmecken, das er dem Burschen zu versetzen gedenkt.
Ja, der Führer hatte sich entschlossen, den Tag vor dem Putsch fern von der Stadt zu verbringen. Lag nicht sein Plan fertig in der Schublade? Das einzige, was ihm zu tun blieb, war, seine Nerven aufzuruhen für den großen Schlag. Er fuhr hinaus, die Insarowa, seine Sekretärin, nahm er mit, doch nicht einmal ihr sagte er, wohin es ging. Erst außerhalb der Stadt gab er Weisung, nach Berchtoldszell zu fahren. Warum, nun er schon Zeit hatte, sollte er nicht den Versuch machen, den Klenk herumzukriegen? Der Klenk war nicht dumm. Der Klenk mußte einsehen, daß damals bei der Baumblüte er, der Führer, recht gehabt hatte. Er war in versöhnlicher
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