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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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wahrhaft staatsmännischen Idee hörte, dann, endlich, mußte er ihn für voll nehmen. Aber es war kein Verlaß auf den Klenk; man konnte nicht sicher sein, ob er nicht hinging und tratschte. Flaucher mußte sich leider gedulden und zulassen, daß Klenk ihn noch ein paar Tage für einen Trottel hielt.
    Eilig, doch umsichtig traf er seine Vorbereitungen. Am 9. November wollte er die entscheidenden Verordnungen gegen die Wahrhaft Deutschen erlassen. In der Rede, die er in der Versammlung am 8. November halten wird, wollte er den Bruch ankündigen und weltanschaulich begründen. Diese Rede sollte eine Absage an die Patrioten sein, ein Angebot für Berlin.
    Vorsichtshalber, um die Wahrhaft Deutschen in Sicherheit zu wiegen, bat er sie für den Nachmittag des 8. November nochmals zu sich. Die Zusammenkunft verlief sehr freundschaftlich, man stellte fest, daß man über die letzten Ziele durchaus einer Meinung sei. An diesem 8. November sagte Flaucher, der für heute abend seinen Schlag gegen die Patrioten plante, ihnen mit nordischer List zu, daß er am 12. gemeinsam mit ihnen vorgehen wollte. Die Patrioten, die den Putsch auch für heute abend planten, versprachen ihrerseits mit nordischer List dem Flaucher, daß sie bis zum 12. warten würden. Man trennte sich in bestem Einvernehmen.
    Als dann der Abend da war, hielt, im Saal des Kapuzinerbräus, der Generalstaatskommissar Flaucher die langerwartete große Rede zur Lage. Alle vaterländischen Vereine waren geladen, der riesige Saal gefüllt bis auf den letzten Platz. Einleitend sprach Flaucher über die zersetzenden Wirkungen des Marxismus. Einziges Mittel dagegen sei Ordnung, eiserne Disziplin. Er hob die Stimme, er wollte seine These verkünden: von allen somit, auch von den bestgesinnten Patrioten, sei zu fordern unbedingte Unterordnung unter die gottgewollten Organe des Staates, unter die Regierung, unter den Staatskommissar, unter ihn.
    Da, an der entscheidenden Stelle seiner Rede, wurde er unliebsam unterbrochen durch Unruhe am Saaleingang. Kommandos, Geschrei, ein Schuß. Mit rauchender Pistole auf einmal steht neben ihm auf der Rednertribüne der Führer Rupert Kutzner. Er trägt einen neuen, streng geschnittenen, uniformartigen Sportrock. Um den Hals hat er einen weißen, gestärkten, sehr hohen Kragen; scharf bis zum Nacken trennt sein Scheitel die Haare. Auf der Brust trägt er ein geschweiftes Kreuz aus Eisen, eine Kriegsauszeichnung, verliehen nur für die Erreichung sehr hoher Ämter oder sehr großen Reichtums und für wirkliche Heldentaten. In der Hand die Pistole hält er hoch erhoben. So stand auf der Bühne des Münchner Hoftheaters der Schauspieler Konrad Stolzing vor dem Adel Genuas, verkündend den Sturz der Tyrannei, in der Rolle des Grafen Fiesco von Lavagna, einer Figur des Bühnendichters Schiller.
    Den bestürzten, erbitterten Flaucher leicht beiseit schob Rupert Kutzner. Dem totenstillen Saal mit schmetternder Stimme verkündete er: »Die nationale Revolution ist ausgebrochen. Der Saal ist von sechshundert Schwerbewaffneten umzingelt. Reichswehr und Landespolizei unter unsern Fahnen sind im Anmarsch. Die bayrische Regierung und die Reichsregierung sind abgesetzt. Eine provisorische Reichsregierung unter meiner Leitung wird gebildet. Der Morgen findet entweder eine deutsche nationale Regierung oder mich tot.« Dann, mit starker Stimme, befahl er: »Maßkrug her«, trank tief.
    Ungeheurer Beifall knatterte hoch. Viele hatten Tränen in den Augen. Begeistert schauten sie auf Rupert Kutzner, voll des gleichen Gefühls wie in der beliebten Oper Lohengrin, wenn auf silbernem Schwan einer hereinzieht, um im letzten Augenblick Erlösung aus allen Nöten zu bringen.
    Der Flaucher, als er den Schuß hörte, als er den gescheitelten Menschen mit der rauchenden Pistole in der Hand auf dem Podium sah, als die Stimme hinaustrompetete unter dem winzigen Schnurrbart, erkannte blitzklar, daß jetzt auch seinzweiter Plan hinunterschwamm. Der Hund hat ihn angeschmiert mit seinen Loyalitätsbeteuerungen, der Hund ist ihm zuvorgekommen. Vermutlich wird er ihn jetzt auffordern, sich anzuschließen, mitzutun unter seiner Oberleitung. Das ist, aller Vernunft zum Trotz, eine große Versuchung. Wenn auch die Geschichte höchstens vierzehn Tage vorhalten kann, wenn sie auch an der bayrischen Grenze zusammenbrechen muß, es ist verlockend, vierzehn Tage hindurch Volksheld zu sein und dann im Kampf gegen Berlin als bayrischer Löwe zu fallen, einzugehen wie der Schmied

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