Erfolg
hockte in Zerknirschung.
Und siehe, der Himmel war mit ihm und sandte ihm einen Plan. Er wird seinen eigenen Putsch aufgeben und wird auch seinen Trommler Kutzner zurückpfeifen. Aber er wird sich dafür bezahlen lassen. Wird auch aus diesem Mißerfolg für sein Land Profit herausschlagen. Verkaufen an das Reich wird er seinen Verzicht. Kompensationen wird er verlangen, Zugeständnisse einhandeln, die Bayerns gefährdete Eigenstaatlichkeit stärken sollen. Befriedigt ins Bett legte er sich, schlief gut, traumlos.
Gleich am andern Morgen machte er sich an die Arbeit. Seinen eigenen Putsch abwiegeln war einfach; die bayrische Armee war fest in seiner Hand; wie sie bereit war, mit ihm zu putschen, war sie auch willig, mit ihm zum Reich zurückzukehren. Aber die andern, die Kutznerleute, den Trommler und seinen Anhang, wieder in die Ecke zu stellen, das war weniger einfach. Die waren weit fortgetrieben, die wollten los, die ließen sich nicht mehr halten. Dazu war er in Zeitnot. Er wußte nicht, wann Kutzner losschlagen wollte, aber er wußte, daß es eine Frage von wenigen Tagen war. Zeit gewinnen, Zeit gewinnen, darauf jetzt kam es an.
Er beschloß, schlau zu sein, versammelte um sich die Führer der Kampfverbände. Beteuerte, sein Ziel sei das gleiche wie das ihre. Zeigte sich aber voll Sorge über die Situation in Berlin. Sicher könne man die Reichswehr dort so weit kriegen, daß sie sich anschließe, aber jetzt sei sie noch nicht mürbe genug. Um ganz kurze Zeit nur handle es sich, aber die müsse man, man müsse sie abwarten.
Höhnisch erwiderten die Kutznerleute. Der Herr Generalstaatskommissar sei der Bewegung schon einmal in den Arm gefallen. Man habe die Zeit der Baumblüte nicht vergessen.Solle man wieder kneifen? Er habe ja die gleichen Ziele wie die Herren, jammerte von neuem der Flaucher, aber die Situation sei nicht reif. Aufschub, eine einzige Woche Aufschub.
Trotzig erwiderte der Landsknechtführer Toni Riedler, spöttisch der Gauleiter Erich Bornhaak. Warum, wenn man bis zum 9. fertig sei, solle man bis zum 16. warten? Eine halbe Woche Aufschub, bat Flaucher.
Kutzner war die ganze Zeit auffallend schweigsam; finster saß er da, die Arme verschränkt, das Schicksalsschwangere der Stunde in Miene und Haltung betonend. Jetzt erhob er sich. Gut, erklärte er, man werde eine halbe Woche warten. Laut murrten seine Herren. Man werde bis zum 12. November warten, erklärte abschließend mit Autorität der Führer.
In der gleichen Nacht zu einem Kriegsrat versammelte er seine Herren. Es war ihm, während Flaucher sich abzappelte, die Erleuchtung gekommen. Für den 8. November hatte Flaucher eine große Versammlung im Kapuzinerbräu angekündigt, in der er programmatisch zur Lage Stellung nehmen wollte. In dieser Versammlung, in der Nacht vom 8. zum 9., erklärte Kutzner, werde er die nationale Revolution proklamieren. Mit der Waffe in der Hand werde er Flaucher zu einem Ja oder Nein zwingen. Wünsche der Staatskommissar ernstlich die Erhebung des Volkes, dann erleichtere man ihm auf diese Art den Absprung. Er glaube, fuhr Kutzner vertraulich fort, Flaucher habe den Aufschub nur verlangt, um die Wahrhaft Deutschen hereinzulegen, damit er ihnen selber zuvorkomme. Da sei er aber beim Kutzner ausgerutscht. Der falle nicht hinein auf solche Plumpheit. Er denke nicht daran, sich länger hinhalten zu lassen. Daß er ihm den Aufschub bis zum 12. zugesagt habe, sei eine nordische List, erlaubt, ja geboten, zum Besten des Vaterlandes.
Nochmals mit Ernst fragte er, ob alles bereit sei. Mit Ernst erwiderten alle militärischen Führer ja. Einer sagte, wenn die politischen Vorbereitungen so weit gediehen seien wie die militärischen, dann fehle sich nichts. Verweisend schauteKutzner. Keine Antwort gab er dem Dreisten. Geheimnisvoll wies er, mit großer Gebärde, auf die verschlossene Schublade mit den Plänen. Alle hatten sich erhoben. In der Nacht vom 8. zum 9. November, erklärte er, werde er den Rubikon überschreiten.
6
Coriolan
Otto Klenk hockte einsam auf der Gschwendthütte. Er hatte es wirklich durchgehalten, war den ganzen Sommer und Herbst der Stadt München ferngeblieben. War allein herumgesessen in Berchtoldszell, als einzige Gesellschaft die alternde Wirtschafterin Veronika, die Mutter des Simon. Seine Frau mußte die Münchner Wohnung hüten, er duldete sie nicht in Berchtoldszell. Immerhin, daß er selbst heute, an seinem fünfzigsten Geburtstag, einsam hier oben hocken werde auf der Gschwendthütte,
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