Erfolg
Reichsregierung stehe im Banne des Marxismus, wolle das bundesstaatliche und politische Eigenleben Bayerns zielbewußt auslöschen, habe seit Jahren die nationale Gesinnung unterdrückt. Bayern, Hochburg des bedrängten Deutschlands, sei nicht gewillt, das länger zu dulden,nehme den Kampf an, den Berlin ihm aufgedrängt habe. Feierlich dann am andern Morgen nahm er alle auf bayrischem Gebiet stehenden Truppen neu in Eid und Pflicht. Auf die bayrische Staatsregierung als auf die Treuhänderin des deutschen Volkes.
In seinem dicken viereckigen Kopf jubelte es: Te deum laudamus. Kutzner hatte für die nationale Sache Sprüche gemacht: er, Flaucher, hatte ihr ein Heer geschafft. Wer war jetzt der Marschall, wer der Trommler?
Kutzner wütete. Nicht genug, daß der Flaucher, der ehrgeizige Hund, ihm seine Parolen stahl, jetzt wollte er ihm auch die Krone seines ganzen Planes vor der Nase wegschnappen, den nationalen Putsch. Gefehlt, Freundchen. So schnell gibt es der Kutzner Rupert nicht auf. Jetzt ist es halt ein Wettrennen, wer zuerst mit seinen Vorbereitungen fertig wird. Mit den Herren seines Stabes beriet er. Man brauchte nicht lange zu warten, man war so gut wie fertig. Ein neuer Tag der Befreiung wurde festgelegt, diesmal nicht zur Generalprobe. An einem 9. November war das alte Reich von den roten Hunden zusammengeschlagen worden; an diesem 9. November, dem fünften Jahrestag der Zerstörung, soll es neu erstehen.
Flaucher in seinem gelben Haus am Promenadeplatz äugte, lächelte. Soll der Kutzner ruhig rüsten und darauf warten, daß die Armee zu ihm übergeht. Da kann er lange warten, dafür ist gesorgt. In der Stunde der Entscheidung wird nicht die Armee dem Kutzner, da wird die mühsam gerüstete Truppe des Kutzner ihm zufallen. Lächelnd, seiner Sache sicher, schaute der Staatskommissar zu, wie die Wahrhaft Deutschen ihren Aufmarsch organisierten. Kern der nationalen Erhebung blieb die Armee, und die gehörte ihm. Sie war stärker, als sie aussah. Aus den sechs andern Divisionen der Reichswehr blinzelte man ihr zu. Wenn es darauf ankommt, werden die Berliner Herren gut daran tun, sich nicht allzu fest auf ihre Truppen zu stützen. Schon beschwor, in einem Geheimerlaß, der Chef der Reichswehr ängstlich seine Kommandeure,politisierende Offiziere aus der Truppe zu entfernen. Flaucher lächelte tiefer. Das war ein guter Oktober für ihn, voll Lächeln und Sicherheit.
Im November, über Nacht, schlug der Wind um. Der Flaucher merkte es, als er, im Herrenklub, den Fünften Evangelisten traf.
»Ich höre«, sagte der mit seiner hohen, fettigen Stimme leise, fast gelangweilt, »ich höre, das Gesicht des Herrn Kutzner gefällt Ihnen jetzt weniger, Herr Staatskommissar. Auch ich habe mich entschlossen, kein Geld mehr in den Herrn zu stecken.« Flaucher schaute dem Reindl schülerhaft aufmerksam auf den gefräßigen Mund, rieb sich zwischen Hals und Kragen.
Er verstand wenig von wirtschaftlichen Dingen; aber das verstand er, daß die lässige Bemerkung dieses verfluchten Reindl mehr wog als tausend patriotische Kundgebungen. Offenbar war die Geschichte an der Ruhr abgeblasen, die deutsche Industrie hatte sich mit der französischen verständigt, sie hatte keinen Appetit mehr auf einen Putsch. Das Kapital zeigte den Anhängern des Staatsstreichs und des Wehrgedankens die kalte Schulter. Flaucher dachte scharf nach, sein viereckiges Gesicht wurde ganz dumm vor Nachdenken. Wenn sich das Geld zurückzog, dann nützte ihm seine Armee nichts, dann konnte jetzt er seine Baumblüte erleben. »Ich habe mich auch entschlossen, kein Geld mehr in den Herrn zu stecken.« Wenn er diesen freundschaftlichen Rippenstoß zusammenhielt mit gewissen Stimmungsberichten aus Berlin, die er bisher nicht ernst genommen hatte, dann klang auf einmal jener Geheimerlaß des Chefs der Reichswehr gar nicht mehr ängstlich.
Eine verfluchte Geschichte. Er hat sich zu weit vorgewagt, hat von den Parolen der Wahrhaft Deutschen zu viele übernommen. Wenn jetzt der Kutzner, das Rindvieh, loslegt, dann wird man das ihm in die Schuhe schieben, dann wird er, der Marschall, zugleich mit seinem Trommler ausrutschen. Himmelsakra, da ist er bös hineingesaust. Hin und her wandelndin der Nacht zwischen den Plüschmöbeln seiner niedrigen Zimmer mit dem Dackel Waldmann, schwitzte er, stöhnte. Was er getan hat, er hat es in Demut getan, zum größeren Ruhme Bayerns und des Herrn. Es kann nicht sein, daß ihn der Himmel so jämmerlich im Stich läßt. Er
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