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Erfolg

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Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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das genüge. Klenk hieß Klenk und schrieb sich Klenk, Tüverlin war Tüverlin.
    »Wozu machen Sie eigentlich Bücher, Herr Tüverlin?« fragte Klenk. »Ich drücke mich aus«, sagte Tüverlin. »Ich habe mich durch Justizpflege ausgedrückt«, sagte Klenk.
    »Sie haben sich aber nicht immer gut ausgedrückt, Herr Klenk«, sagte Tüverlin. »Was haben Sie an meiner Justizpflege auszusetzen?« fragte Klenk. »Sie war nicht fair«, sagte Tüverlin. »Was ist Fairneß?« fragte Klenk. »Fairneß«, sagte Tüverlin, »ist die Bereitschaft, in gewissen Fällen mehr zu geben, als man verpflichtet ist, und weniger zu nehmen, als man berechtigt ist.« – »Sie verlangen viel Luxus von einem schlichten Mann«, sagte Klenk.
    »Ob es eigentlich angenehm ist«, sagte später Tüverlin, »so als ein halb ausgestorbenes großes Tier über die Erde zu wandeln?« – »Es ist großartig«, sagte mit Überzeugung Klenk. »Manchmal muß es wirklich großartig sein«, sagte neidisch Tüverlin. »Wissen Sie«, sagte Klenk, »ich hätte Ihren Martin Krüger wirklich begnadigt. Ich habe nichts gegen den Mann gehabt.« – »Wenn Sie sich zu erinnern belieben«, sagte Tüverlin, »habe ich in meinem Essay nichts Gegenteiliges behauptet.« – »Ihr Essay ist ein ausgezeichneter Essay«, sagte anerkennend Klenk. »Jedes Wort eine Lüge und so lebendig. Prosit«, sagte er.
    »Wissen Sie«, meinte er dann, »wenn Ihre Johanna Krain ähnlich ist wie Sie, dann müßten wir ihr eigentlich eine Ansichtskarte schreiben.« – »Sie ist Gott sei Dank ganz anders«, sagte Tüverlin. »Schade«, sagte Klenk und grübelte, wem man dann eine Ansichtskarte schreiben könnte. Aber dem Flaucher, dem Kutzner, dem Vesemann, das lohnte nicht.
    Lärm entstand. Zwei späte Gäste verlangten hartnäckig Einlaß. Nach einiger Debatte ließ sie die Resi ein. Es waren von Dellmaier und Simon Staudacher. Eigentlich, fand Klenk, war Simon, der Bams, ein Rotzbub. Aber dieser Rotzbub war sein Junges. Ein gewisser anderer war nicht mehr in der Welt, aber dieser Rotzbub saß da in Fleisch und Blut. Das freute den Klenk.
    Von Dellmaier war verstört durch das Schicksal seines Freundes Erich Bornhaak. Man konnte ihn nicht allein lassen, Simon Staudacher hatte ihn schon die halbe Nacht durch versperrte Lokale geschleppt. Von Dellmaier hatte viel erlebt: daß Erich Bornhaak nicht mehr da war, war das erste, was ihm aufs Herz schlug. Man konnte bis zehn zählen, man konnte bis tausend zählen, diesmal stand Erich nicht auf. »Französisch sprach er wie ein Pariser«, erzählte er. »Wie ich mit ihm in Paris in einem Puff war, hielten ihn die Jungens alle für einen Einheimischen«, und sein lautes Lachen pfiff durch den Raum. »Das Merkwürdigste«, grübelte er, »waren seine gefärbten, manikürten Nägel.«
    Simon Staudacher hatte den Erich gern gehabt. Er ärgerte sich über seinen Vater, der großkopfig dasaß, weil er recht behalten hatte. Recht haben kann jeder Esel: auf den Schneid kommt es an. Es fehlte wenig, und Simon Staudacher hätte seinem Vater die Flasche auf den spärlich bewachsenen Schädel gehaut. Trotz allem, der Führer war im Recht, und die andern waren Schisser. »Die Felddienstordnung«, schrie er, »schreibt vor: Fehlgreifen in der Wahl der Mittel belastet nicht so sehr wie Unterlassung.« – »Ich sitze in Berchtoldszell und unterlasse«, grinste Klenk. Tüverlins nacktes Gesicht zerfältelte sich. Er hatte nicht gewußt, daß es eine Instruktiongab, in der die Weisheit des Militärs den Krieg so nackt für eine bessere Sache erklärte als den Frieden.
    Simon Staudacher sang Landsknechtlieder, von der Resi immer wieder gebeten, sich zu mäßigen, damit man ihn auf der Straße nicht höre. Tüverlin nahm in sich auf, wie ähnlich die beiden waren, der Klenk und sein Junges. Nur ein Winziges fehlte dem Jungen, aber der Reiz des Vaters war weg. Den Simon reizte das Wesen Tüverlins. Er frotzelte ihn, suchte ihn heiß zu machen. Jetzt hatten einige Wahrhaft Deutsche dran glauben müssen, gut, aber viele andre hatten schon vorher dran glauben müssen: Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, der Reichsaußenminister, die Hausgehilfin Amalia Sandhuber, der Abgeordnete G., Martin Krüger, der meineidige Schuft. Klenk verbot dem Jungen das Maul, der aber folgte nicht. »Halt doch das Maul«, sagte noch einmal, fast begütigend, Klenk. »Tot ist tot«, sagte er mit seiner riesigen, tiefen Stimme, abschließend.
    »Tot ist nicht tot«, erklärte auf einmal hell

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