Erfolg
gehalten wurde. Er war hingefahren, bepackt wie ein Weihnachtsmann mit Liebesgaben für den Eingekerkerten. Allein es hatte sich gezeigt, daß dies überflüssig war. Die Begeisterung und Treue der Vaterländischen hatte um den gefangenen Führer ein ganzes Warenlager von Liebesgaben gestapelt. Es türmten sich um ihn Kuchen, Schinken, Wildbret und Geflügel, Wein, Schnaps, Eier, Pralinen, Zigarren, wollene Unterjacken mit dem eingewebten indischen Fruchtbarkeitsemblem, Wickelgamaschen, Unterbeinkleider, ein Diktaphon, Grammophonplatten, auch zwei Bücher.
Anschaulich, mit großen Worten, malte der Schauspieler den Freunden das Bild des eingekerkerten königlichen Mannes. Rupert Kutzner war im Innersten erschüttert über die Tücke und Hinterlist, mit der man ihn zu Fall gebracht hatte. Hand in Hand mit ihm war Flaucher gestanden vor der begeistert tobenden Menge; dann war er hingegangen und hatte ihn schnöd verraten. Wenn er, der Führer, sein Versprechen, den Streich aufzuschieben, nicht gehalten hatte, so war dies zu edlem Zweck geschehen. Was aber Flaucher getan hatte, war nicht nordische, das war Hinterlist. War es zu fassen? Ein deutscher Mann und soviel Tücke. Tagelang, berichtete der Schauspieler weiter, saß der wunde Held, er hatte sich anläßlich der nationalen Revolution den Arm verstaucht, in dumpfem Brüten. Verweigerte Speise und Trank, sprach von Selbstmord. Zwanzig Minuten lang hatte er, Konrad Stolzing, auf den Adler im Käfig einreden müssen, bis der ihm zusagte, er werde vielleicht doch sein Leben dem völkischen Gedanken, dem schwarzweißroten Deutschland erhalten.
Die bayrische Regierung unterdes ging daran, den Prozeßdes Kutzner den jetzigen politischen Umständen gemäß aufzuziehen. Das Reich war wieder konsolidiert, die Reichsmark war stabilisiert: die Pläne einer Donaukonföderation unter bayrischer Hegemonie schwammen ein für allemal hinunter. Die Patrioten, früher eine willkommene Stütze, waren jetzt eine Belastung für das offizielle Bayern. Man warf der Münchner Regierung vor, sie unter Führung des von ihr bestellten Generalstaatskommissars Flaucher sei bis zu dem Putsch genau den gleichen Weg gegangen wie der Aufrührer Kutzner und seine Gefolgschaft. Es galt für das bayrische Kabinett, in dem Prozeß des Kutzner diesen klaren Tatbestand zu verschleiern, ins Gegenteil zu verkehren, die Schuld von sich ab den Wahrhaft Deutschen allein zuzuwälzen.
Die Anklage beschränkte sich also auf Kutzner, Vesemann und acht andere Führer und begriff Flaucher nicht mit ein. Der wurde vielmehr als Zeuge geladen, doch nicht von seinem Amtsgeheimnis befreit. In dieser Eigenschaft konnte er unter Eid alles bekunden, was für die Unschuld der Regierung sprach; wurde aber eine Tatsache herausgeschwemmt, die sie belasten konnte, so durfte er sich auf sein Amtsgeheimnis berufen. Um ihm die Aussage in diesem Sinne zu erleichtern, übertrug die Regierung die Führung des Prozesses einem Manne, der ihm nahestand. Auch hielt sie die Anklage des Staatsanwalts zurück, so daß Flaucher und der Landeskommandant sich in Ruhe über eine einheitliche Zeugenaussage verständigen konnten.
Die Verhandlung fand statt in dem freundlichen Speisesaal der ehemaligen Kriegsschule. Die Zuhörer waren gesiebt, sie waren zu einem großen Teil Angehörige und Anhänger der Patrioten, unter ihnen viele Damen. Die Verhandlung wurde geführt in Form einer verbindlichen Unterhaltung. Schranken gab es nicht, die Angeklagten saßen bequem an Tischen. Trat der Angeklagte General Vesemann ein, so präsentierten die wachhabenden Soldaten, und das ganze Auditorium erhob sich.
Rupert Kutzner hatte Monate hindurch nicht mehr öffentlichgesprochen. Wie er jetzt nach der langen Entbehrung den Mund auftun durfte, Kontakt spürte, offene Ohren, da kam es über ihn, ein Rausch; er fühlte sich steigen, fühlte Wind in den Flügeln. Er trug gemäß dem Rat des Schauspielers Stolzing nicht den gewohnten knappen Sportanzug, sondern, auf daß die tragische Bedeutung der Stunde würdiger zur Geltung komme, einen langschößigen Rock, darauf das geschweifte Kreuz aus Eisen. Tüverlin beschaute den Mann, wie seine Brust sich hob und senkte, wie seine leeren Augen sich belebten, wie die gutrasierten, gepuderten Wangen rot anliefen, wie die höckerige Nase schnaubte. Zweifellos glaubte der Mann, was er sagte, glaubte, es geschehe ihm großes Unrecht. Glühend in immer anderen Worten erklärte er, für ihn existiere nicht die sogenannte
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