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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Schande nicht. Soll ihn der Hautseneder frotzeln: er hat keine Lust mehr, Hausbesitzer zu sein. Nie mehr wird er vergessen, wie es ihm weich und weh um den Leib war. Er wird sich nicht mehr einmischen in die Händel der Großkopfigen. Ein solcher wie er muß froh sein, wenn sie ihm sein Bier, seine saure Lunge und seine Ruh lassen. Er wird sich überwinden und wird ohne ein Wort zuschauen, wie in Zukunft bei den Grüabigen ein anderer den Vize macht.
9
Zufall und Notwendigkeit
    Jacques Tüverlin fuhr am frühen Nachmittag von Villa Seewinkel herein nach München, um sich die nationale Revolution anzuschauen, von der wirre Gerüchte auch an den Ammerseegedrungen waren. Überall jetzt klebten die Plakate, in denen Flaucher die erzwungene Zusage widerrief und Kutzner und Vesemann für Rebellen erklärte. Trotzdem war die Sache nicht eindeutig. Ganz Gescheite wollten wissen, diese Kundgebung sei nur pro forma, eine List, um Berlin, um das Ausland hinters Licht zu führen; in Wahrheit halte es der Flaucher trotzdem mit den Patrioten. Gerüchte gingen, Truppen von auswärts seien im Anzug. Für wen? Gegen wen? Niemand wußte recht, was los war.
    Tüverlin lenkte seinen Wagen langsam durch die verstörten Menschen. Auf dem Odeonsplatz war geschossen worden, soviel war gewiß, es hatte Tote und Verwundete gegeben. Jetzt war der Platz abgesperrt, leer. Die Tauben trippelten verwundert, daß heute keine Passanten da waren, sie zu füttern. Einsam, ehern schauten die bayrischen Feldherrn, von denen der eine kein Bayer und der andere kein Feldherr war, von ihrer Halle auf das geräumte Schlachtfeld. Das plumpe Mahnmal war heute kein Verkehrshindernis. Neue Gerüchte: Kutzner sei gefallen, der General Vesemann sei gefallen. Wüstes Geschimpf auf Flaucher, der den Abend vorher dem Führer den Rütlischwur geleistet und ihm gleich darauf den Dolchstoß von hinten versetzt hatte.
    Die strategischen Punkte, die öffentlichen Gebäude waren bewacht von Reichswehr und von grüner Polizei. Die Posten standen dumm, krampfhaft gleichmütig. Die Passanten knurrten. In der Amalienstraße, vor einem Versammlungslokal der Patrioten, sah Tüverlin einen einzelnen grünen Polizeisoldaten Wache stehen. Eine dürre, alte Frau, es war die Hofrätin Beradt, doch das wußte Tüverlin nicht, trat auf den Mann zu, kam sich offenbar sehr tapfer vor, spuckte ihm ins Gesicht. Viele sahen es, klatschten Beifall, die Gesichter verzerrt von Wut und Triumph. Der Polizist zuckte hoch, stand ganz still, ruckte mit dem Kopf nach links, nach rechts, dann wischte er sich mit dem Ärmel den Speichel weg. »Judenknecht, Novemberlump, Verräter, roter Hund, Judas«, rief die Dame. Sie hatte erwartet, jetzt endlich werde die Freiheit kommen, die völkischeErhebung, und werde die gemeinen, bolschewistischen Mieterschutzgesetze wegfegen, so daß sie mit ihren Untermietern, dem niederträchtigen Gesindel, umspringen könne, wie es sich gehörte. Allein wiederum hatte Tücke und Verrat die Freiheitsträume des Volkes vernichtet. Diesem Polizisten gegenüber wenigstens hatte sie ihrer Empörung Luft gemacht. Die Nase hoch, entfernte sie sich durch eine beifällige Menge. Ein anderer, ein mickeriger, schlecht angezogener, verfrorener Mensch, versuchte es ihr nachzutun. Allein diesmal ließ sich der Polizist nichts gefallen. Der Mickerige lief davon. Der Grünuniformierte ihm nach mit dem Gummiknüppel. Der Mickerige fiel hin, drückte sich an die Mauer eines Hauses, versuchte hineinzukriechen. Der Polizist schlug auf ihn ein. Die Leute schauten, schimpften, doch in genügendem Abstand, daß sie gleich davonkonnten.
    Tüverlin fuhr weiter, auf die Ämter, auf die Redaktionen, um sich zu informieren. Er hatte überall Zutritt; er war Schriftsteller, also nahm man ihn nicht ernst: er hatte Erfolg, also verhielt man sich mit ihm. Allein die Zeitungen, die Ministerien wußten selber nicht recht Bescheid. Er fuhr in die Redaktion des »Vaterländischen Anzeigers«. Auch dort konnte der gutgestellte Ausländer ohne weiteres herein. Das Gebäude war besetzt; grüne Polizisten standen im Haupteingang, die Treppen hinauf, den Korridor entlang. Tüverlin vermutete gleich, daß sie einen herein-, doch nicht mehr hinausließen. Er ging doch hinein.
    In dem großen Sekretariat war wirrer Betrieb. Die Telefonsignale flackerten, rot, gelb, grün. Aus allen Teilen der Stadt kamen sorgenvolle, verzweifelte Anfragen der Freunde, der Verwandten nach dem Schicksal jener

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