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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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und gequetscht der Schriftsteller Tüverlin; möglich, daß er an den literarischen Nachlaß des Mannes Krüger dachte. »Da haben Sie leider unrecht, werter Herr«, lachte pfeifend der Versicherungsagent von Dellmaier. »Wenn Sie einmal abgekratzt sind, dann sind Sie leider beschissen und halten die Fresse.« – »Sie sind im Irrtum«, wandte Tüverlin bescheiden ein. »Es kommt vor, daß Tote den Mund aufmachen.« – »Denken Sie an Ihren Freund Martin Krüger, Tüverlin?« fragte Klenk. »Er war nicht mein Freund«, sagte Tüverlin, »aber vielleicht denke ich an Martin Krüger.« Jetzt war er sicher, daß er nicht mehr den literarischen Nachlaß des Mannes im Auge hatte, sondern anderes. »Überheben Sie sich nicht«, sagte friedlich Klenk. »Dieser Tote wird den Mund nicht aufmachen, da hat der Flaucher zufällig einmal recht gehabt.« – »Er wird ihn aufmachen«, sagte höflich Tüverlin. Simon Staudacher lachte dröhnend. Die Kerzen, stark heruntergebrannt, flackerten. Jacques Tüverlin hatte breite Schultern und einen wohltrainierten Körper; dennoch saß er geradezu zierlich zwischen den riesigen Männern.»Wollen wir wetten, daß er sprechen wird?« sagte er. Der Versicherungsagent von Dellmaier horchte hoch; die Kassierin Resi kam näher. »Worum wollen Sie denn wetten?« fragte Klenk. »Ich wette den Ertrag meines nächsten Buches, Klenk, gegen zwei Beinknöpfe von dieser Ihrer Lodenjoppe, daß der tote Martin Krüger den Mund aufmachen wird.« – »Wird er den Mund gegen mich aufmachen?« fragte Klenk. »Ja, gegen Sie«, sagte Tüverlin. Klenk lachte schallend. »Ich lege noch eine Flasche Terlaner zu«, sagte er. »Angenommen«, sagte Tüverlin. »Das muß schriftlich gemacht werden«, sagte Simon Staudacher, und sie protokollierten die Wette.
11
Wie das Gras verwelkt
    Mit Gier sog der Abgeordnete Geyer die Nachrichten ein, die aus München kamen über den Putsch des Rupert Kutzner. Es waren wirre Nachrichten; doch nach vierundzwanzig Stunden stand fest, der Putsch war gescheitert. Sehr jämmerlich, wie es schien. Eine ungeheure Freude erfüllte Geyers Herz. Er sah vor sich das dreiste Gesicht des Klenk, an einer Wurst lutschend, gelben Wein trinkend, mit frecher Zutraulichkeit Sätze der Gewalt verkündend, und er triumphierte über dieses Gesicht. Jetzt sah der Junge, daß die Dinge doch nicht so glatt gingen, wie er sich einbildete, daß Frechheit, Willkür, Unrecht, Gewalt zuletzt an sich selber zerschellten. Auf dem Sofa lag der Abgeordnete Geyer, die roten Lider unter der Brille geschlossen, die Hände unterm Kopf verschränkt, die gelben Zähne bloß. Lächelte satt, befriedigt.
    Am Abend des zweiten Tages dann las er von den Toten an der Feldherrnhalle. Es waren Zufallstote, Namen ohne Belang. Vesemann hatte sich verhaften lassen, Kutzner war auf seinem grauen Auto sogleich davon. Dann stieß er auf den Namen Erich Bornhaak.
    Dr. Geyer hatte sein Zeitungsblatt auf der Straße gekauft, in der Nähe seines Hauses. Er ging heim, es war ein schrecklich langer Weg, er hinkte erbärmlich. Das Zeitungsblatt trug er in der Hand, er ließ es fallen, bückte sich, ihm war, als sei sein Rücken zerbrochen, er hob es auf, knüllte es in die Tasche. Es waren nur mehr hundert Schritte zu seinem Haus; allein er war entsetzlich müde. Er hätte am liebsten eine Droschke genommen; aber dann hätte der Chauffeur geschimpft, das konnte er nicht hören. Er stieg die Treppe hinauf, jede Stufe war eine Qual. Er stand an der Flurtür. Die rechte Hand mit dem Zeitungsblatt hatte er in die Tasche gestopft, er sperrte das Schloß mit der linken auf. Das war eine Anstrengung, aber er kam nicht auf den Gedanken, die Hand von dem Zeitungsblatt in der Tasche zu nehmen. Er schleifte sich in sein kahles Zimmer. Zog die Vorhänge vor die Fenster, daß das Licht von der Straße nicht hereinkam, nahm die Decke der Ottomane, verhängte den Spiegel. Dann suchte er. Es lag nahe, die Haushälterin Agnes zu rufen, daß sie ihm bei seinen Verrichtungen helfe; aber das tat er nicht. Schließlich fand er, was er suchte, eine ziemlich große Kerze und eine schon weit heruntergebrannte. Er steckte die Kerzen an. Dann ging er in die Küche. Die Haushälterin Agnes fragte verwundert, was er wolle. Er gab keine Antwort, nahm sich aus einer Ecke einen niedrigen Schemel, trug ihn ins Zimmer. In dem dunkeln Zimmer dann, vor den Kerzen und dem verhängten Spiegel, bemühte er sich, sein Kleid zu zerreißen. Aber seine Hände waren

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