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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Demonstrationsteilnehmer, die nicht zurückgekehrt waren. Langsam schälte sich heraus, was an der Feldherrnhalle geschehen, wie jämmerlich beim ersten Schuß der Putsch zusammengebrochen war. Dabei trafen von auswärts immer noch günstige Meldungen ein, wo überall in den kleineren Orten die nationale Revolution gesiegt habe.
    Die Kriminalbeamten, höflich, ohne die Redakteure groß in ihrer Arbeit zu stören, halten Haussuchung, durchstöbern die Schreibtische. Jetzt sind sie im Zimmer des Führers. Öffnen seinen Schreibtisch. Tüverlin, unter Redakteuren, Stenotypistinnen, steht in der Tür, schaut zu. Auch er hat gehört von der berühmten Schublade, von der das ganze Land raunt, der Schublade mit den geheimnisvollen Plänen um die Neuordnung des Reichs. Das also ist die berühmte Schublade. Tüverlin stellt sich auf die Zehen. Über die Schultern der Redakteure, der Beamten schaut er, wie die Polizisten die Schublade aufbrechen.
    Es sind Papierschnitzel darin und ein Sektpfropfen. Nein, weiter ist nichts in der Schublade.
    Tüverlin, als die Polizei ihm endlich erlaubte, das Haus zu verlassen, fuhr in den Herrenklub. Dort gab es nicht mehr viele Anhänger des Kutzner. Der Dollar stand heute sechshundertdreißig Milliarden, es wird nur mehr Wochen, vielleicht nur Tage dauern, bis die Währung stabilisiert ist. Man hatte Herrn Kutzner nicht mehr nötig, er war zu spät gekommen, man grinste, wie läppisch sein Putsch zusammengebrochen war. Man erörterte, ob die Regierung besser daran tue, Kutzner zu verhaften oder ihn ins Ausland fliehen zu lassen. Hämisch zählte man her die vielen Kompromittierten. Und wie war das mit dem Generalstaatskommissar selbst? Man tuschelte. War Flauchers Zusage an Kutzner wirklich nur ein Schachzug gewesen, war er wirklich von Anfang an entschlossen, den Putsch zu zerschlagen?
    Der Minister Sebastian Kastner war darüber unterrichtet. Ja, Flaucher hatte noch unter der Pistole Kutzners den Entschluß gefaßt, jenes Funktelegramm mit dem Widerruf zu versenden; aber er war Beamter auch in seiner heroischen Stunde, er brauchte die Billigung derer, die er für seine gottgewollten Herren hielt. Sebastian Kastner hatte in seinem Namen mit dem stillen Herrn von Rothenkamp telefonieren müssen, dem Vertrauensmann Berchtesgadens, dem Vertrauensmann der Kirche. Es waren kurze Gespräche gewesen. Eile tat not.Sebastian Kastner bewunderte, was sein Meister Franz Flaucher in dieser schlimmen Nacht getan hatte, wie er den Kutzner hinters Licht führte und Bayern und das Reich vor dem Ärgsten rettete. Wenn einer den Namen Vater des Vaterlandes verdiente, dann er. Die Schnelligkeit des Entschlusses, die Schlauheit der Ausführung, das ganze Verhalten des Mannes schien ihm schlechthin die Offenbarung eines Genies. Und jetzt brandete die ganze verblendete Stadt in Haß gegen den Mann, und er konnte sich nur mehr im Panzerauto durch die Straßen bewegen. Sebastian Kastner arbeitete sich ab, suchte wenigstens hier zu überzeugen, brachte Argumente, fluchte mit pöbelhaften Schimpfworten auf Kutzner, das Rindvieh, auf den Saupreußen Vesemann.
    Die andern hörten höflich, ungläubig und belustigt zu, wie der ungeschlachte Mann seine Wut ausspie, wie er zappelte, um seine Bewunderung zu propagieren. Vielleicht als einziger Jacques Tüverlin begriff, daß, was Flaucher getan hatte, im Sinn gerade dieser Herren richtig, ja beinahe genial gewesen war. Wäre an Stelle des Flaucher einer von diesen höhnischen Herren gestanden, dann hätte er sich vermutlich überrumpeln lassen von der Verlockung, auf einige Tage den nationalen Helden zu spielen, und es wäre zu Bürgerkrieg gekommen und säuischem Gemetzel. Erst an den Grenzen Bayerns vermutlich wäre man der idiotischen Revolte Herr geworden. Vermutlich war in der entscheidenden Stunde für das Land Bayern dieser gewiß nicht sehr begabte Mann Franz Flaucher der einzig echte Staatsmann.
    Erschüttert geradezu erkannte Jacques Tüverlin die Zusammenhänge. Es schien historische Notwendigkeit, daß die Industrialisierung Mitteleuropas in nicht allzu schnellem Tempo vor sich gehe. In diesem Sinn war das Land Bayern ein guter Hemmschuh. In diesem Sinn hatte der historische Prozeß eine Gruppe der besonders Zurückgebliebenen hochgeschwemmt, den Kutzner und seine Leute. Als aber der Bremsklotz gar zu kräftig in Erscheinung trat, mußte er weggeräumt werden. Wiederum war es gut und ersparte weitere Katastrophen, wiederumwar es historische Notwendigkeit, daß

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