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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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die gebührende Beachtung. Wo zum Beispiel in den Kutznerversammlungen bleibe der psychiatrische Überwachungsdienst?
    Kaspar Pröckl erwiderte lebhaft, die Empörung jener Menschen sei genügend motiviert durch die Fäulnis der gesellschaftlichen Institutionen. Natürlich gehe diese Empörung in die falsche Richtung. Leute aber, die sich auflehnten gegen die allgemeine Fäulnis, förderten die Entwicklung der Art mehr als solche, die sich flau damit abfänden, ja sie wegzudisputieren suchten.
    Das Mammut saß behaglich in dem großen Schaukelstuhl, seine Augen unter der dicken Brille schauten listig und vergnügt, seine fleischige Nase schnupperte, die Pfeife hielt er zwischen den großen Zähnen. Ab und zu notierte er sich etwas in sein Notizbuch. Auflehnung, revolutionäre Gesinnung, wandte er sich an Kaspar Pröckl, komme aus dem Magen. Das hungernde Deutschland der Inflation sei nicht die Welt. Vielmehr bestehe die Welt der Weißhäutigen, alle Statistiken bewiesen das, zum größten Teil aus Satten. Und selbst die Hungrigen, der junge Herr möge das bedenken, seien nicht immerfort hungrig, sondern nur zeitweise. Drei Klassen von Menschen gebe es: die Satten, die Hungrigen, die Unersättlichen. Er könne nicht begreifen, inwiefern es förderlich für die Entwicklung der Art sein sollte, Politik ausschließlich für die Hungrigen zu machen.
    Solche und ähnliche Halbwahrheiten äußerte der Amerikaner, lebhaft unterstützt von Tüverlin. Allein der finster dasitzende Pröckl, den sie gern aufgezogen hätten, dachte an den Maler Landholzer und fand es nicht der Mühe wert, auf ihre armseligen Plattheiten einzugehen.
    Während des Mittagessens sprach man über das Volk der bayrischen Hochebene, über seine biologischen und soziologischen Bedingtheiten. Da hockten diese bayrischen Menschen vor ihren Bergen, zurückgeblieben hinter der Entwicklung der Nachbarn, verbockt, wider Willen Unheil stiftend, ein Spielball muskelkräftiger, lungenstarker, schwachhirniger Abenteurer. Sowohl Tüverlin wie Potter hatten, dies klar erkennend, viel übrig für diese besondere Spezies des Homo alpinus. Tüverlin liebte das Volk, unter dem er lebte. Ja, mit der Intensität des wahren Schriftstellers, der, bei aller Kälte der Erkenntnis, nicht leben kann, ohne an seinen Gegenstand Haß und Liebe zu wenden, liebte dieser Hochentwickelte seine ungelenken, urteilskargen, dumpf musischen Bayern. Der Amerikaner seinesteils schätzte mit der Sammlerliebe für das Seltsame das Einmalige dieser klobigen Leute, ihre grobe Zutraulichkeit, die so leicht ins Bösartige umschlug,ihre sinnige, gemütvolle Barbarei. Er dachte sogar daran, Geld in ihren Staat zu stecken, das Land durch eine Anleihe vorwärtszustoßen. In der Industrialisierung der Hochebene freilich sah er nicht viel Chancen. Für ihn lag die Zukunft Münchens und seiner Umgebung darin, inmitten eines großen industriellen Bezirks, des Gebietes Mitteleuropa, eine angenehme Stätte der Erholung zu werden, eine Stadt auch für behaglich Alternde, der Kurort Mitteleuropas gewissermaßen.
    Tüverlin, im Laufe des Gesprächs, fragte Herrn Potter, wie er sich die geringe Beliebtheit der Deutschen im Ausland erkläre. Der Amerikaner meinte, er persönlich habe die Deutschen gern. Im deutschen Geschäft allerdings habe er keine guten Erfahrungen gemacht. Wieso? frage Tüverlin. Der Amerikaner wollte nicht recht antworten, meinte, jede Generalisierung werde schief. Da Tüverlin drängte, unterschied schließlich, mit vielen Vorbehalten, Mr. Potter das Geschäftsgebaren seiner englischen, seiner französischen, seiner deutschen Partner. Auf eine mündliche Zusicherung seiner Engländer könne er bauen. Von den Franzosen kriege er schwer eine Unterschrift: habe er sie aber, sei Verlaß darauf. Unter seinen deutschen Geschäftsfreunden könne er von der Mehrzahl eine Unterschrift besonders leicht kriegen: erweise sich aber das Geschäft hinterher als schlecht, dann deutelten sie an der Unterschrift herum und suchten sich mit metaphysischen Argumenten um den klaren Wortlaut des Vertrages zu drücken. Da Kaspar Pröckl ein finsteres Gesicht machte, wiederholte er, es liege ihm fern, zu generalisieren.
    Tüverlin lächelte in seinem Herzen, daß es gerade den Internationalisten Kaspar Pröckl verdroß, wenn man den Geschäftsleuten seines Volkes eine zweideutige Eigenschaft unterschob. Daß viele Deutsche die Verbindlichkeit einer einmal vollzogenen Unterschrift nicht einsehen wollten, meinte er,

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