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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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liege an ihrer Überschätzung des Kriegerischen. Kriegerischer Sinn vertrüge sich schlecht mit Rechtlichkeit und Logik. Da gebe es zum Beispiel eine gepriesene deutsche Dichtungaus dem Mittelalter »Hildebrand und Hadubrand«. Ein Vater trifft seinen Sohn, sagt ihm aber nicht, wer er ist, sondern sie fangen aus schierer Wehrhaftigkeit zu raufen an, schlagen und erschlagen einander. Manche unter den Deutschen, ein Teil der Studenten beispielsweise, hielten sich heute noch an das Vorbild Hildebrands und Hadubrands, brächten einander Hieb- und Stichwunden bei aus purem Kriegergeist. Leute mit solchen Lebensformen sträubten sich aus Natur dagegen, daß auf einmal ein Stück Papier stärker sein solle als eine Kanone. Sie schrien immerzu nach Entscheidung durch Krieg. Habe der Krieg gegen sie entschieden, dann verlangten sie neue Entscheidung, bis eben für sie entschieden sei. Dieser Menschenschlag sei weitverbreitet, sein Einfluß in Deutschland aber im Schwinden. Herr Potter möge sich durch das Geschrei dieser Leute nicht täuschen lassen.
    Nun aber konnte Kaspar Pröckl nicht mehr an sich halten. So harte Worte er sonst für seine Landsleute fand: was dieser Westschweizer und dieser Dollarscheißer sich erdreisteten, ging ihm zu weit. Zornig erklärte er, was da Herr Potter sage über den Mangel an Ethos unter den Deutschen, das stelle die Dinge auf den Kopf. Zuviel Ethos hätten sie, das sei ja gerade das Saudumme. Immer bei ihrem Ethos packe die herrschende Schicht die Beherrschten, immer mit ethischen Argumenten kriege sie sie klein. Kein Volk auf der Erde schlage sich soviel mit ethischen Skrupeln herum wie das deutsche. Wo andere den geraden Weg vor sich sähen, mache es sich den Weg krumm vor lauter Skrupeln. Kaum hätten die Deutschen eine Revolution angefangen, so stoppen sie die Revolution auch schon ab, weil sie sich erst überlegen müssen, ob sie denn auch fair sei.
    Das also brachte Herr Pröckl vor, sehr heftig. Herr Tüverlin und Herr Potter schauten einander an. Sie lächelten nicht, da sie höflich waren. Er wolle, sagte schließlich Herr Tüverlin mit behutsamer, hinterhältiger Gemütlichkeit, Herrn Pröckl und seinem Vaterland nicht zu nahe treten, aber erkönne mit bestem Willen nicht finden, daß zum Beispiel dieses Manöver, dem sie jetzt beiwohnten, daß die Manier, wie Staat und Industrie jetzt das Geld der Gesamtheit durch die Inflation in ihre Kassen leiteten, daß dieses Manöver besonders ethisch sei. Herr Tüverlin selber fand sein Argument nicht gerade schlagend; schon während er sprach, überlegte er, daß Kaspar Pröckl mit Fug erwidern könne, dieses Manöver werde ja nicht vom Volke gemacht, sondern eben von einer kleinen herrschenden Schicht. Aber es ereignete sich das Seltsame, daß der Ingenieur Kaspar Pröckl, der so oft starke Worte giftigen Hohnes gefunden hatte über diese freche List des Kapitals, daß dieser gleiche Ingenieur Pröckl zur Verteidigung eben dieser List plötzlich erwiderte: es habe wenig Zweck, zu untersuchen, ob die Gletscher, die nach der Eiszeit schmolzen, fair gehandelt hätten oder nicht. Die beiden anderen schwiegen überrascht. »Die Inflation ist kein ganz faires Geschäft«, sagte nach einer Weile das Mammut sanft, träumerisch; »aber es ist ein sehr dickes Geschäft. Ich an Stelle Ihres Finanzministers würde es auch machen.«
    Da mußten alle drei lachen. Der Ingenieur Pröckl schämte sich in seinem Herzen, und er beschloß, eine Ballade über die Fairneß zu schreiben.
    Kaspar Pröckl fuhr schon am frühen Nachmittag zurück. Die beiden andern suchten ihn nicht zu halten. Er hatte nicht viel gesprochen; er war ein schmaler Mensch, der wenig Raum einnahm, Tüverlin und der Amerikaner waren beide geräumiger: dennoch war die große Stube wunderlich leer, als der wilde Mensch fort war. Das Gespräch der Zurückgebliebenen floß zäh. »Kaspar Pröckl ist anstrengend«, sagte nach einer Weile Tüverlin. »Um diesen Menschen ist es schade«, sagte, wieder nach einer Weile, faul der Amerikaner.
    Später gingen Herr Potter und Herr Tüverlin in der Sonne des frühen Winternachmittags an dem blassen See spazieren. Der Dreißigjahrdanny sprach von der Revue. Tüverlin legte ihm dar, was er gewollt habe; der Amerikaner verstand es, sah es, ging darauf ein. Er meinte, die patriotische Bewegung, derganze Wehrgedanke erscheine ihm als das letzte Zucken des Urwaldmenschen. Immer schwebe ihm vor eine Szene fürs Theater oder für den Film: die letzten

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