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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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einzelne Juden, die den Namen Rothschild trugen. Der Chauffeur Ratzenberger, romantisch wie die meisten Bewohner der Hochebene, brachte diese Rothschilds in Verbindung mit dem stolzen Grabdenkmal. Insbesondere behauptete er, der Inhaber eines Hutgeschäftes Rothschild in der inneren Stadt sei ein mächtiges Mitglied jener Magnatenfamilie. Darauf hingewiesen, es sei unwahrscheinlich, daß ein sehr reicher Mann persönlich die Kunden seines Ladens bediene, ihren Schädeln Hüte anpassend, erklärte der Chauffeur Ratzenberger, während er kunstgerecht einen jungen Rettich in Scheiben schnitt, gerade dassei das Verdächtige und offenbare die hintertückische Schlauheit jener hundshäuternen Lumpenbagage. Die andern blieben skeptisch. Der Chauffeur Ratzenberger redete sich in Wut, legte Rettich, Salz und Messer beiseite, forderte auf, dem Sauhammel von einem Rothschild die Schaufenster einzuschlagen und ihn zu verhauen. Der Vorschlag wurde kühl aufgenommen, ja, der Bäcker, der der Tafelrunde angehörte, verteidigte den Huthändler Rothschild, dem er einige Jahre hindurch Semmeln geliefert hatte. Der sei ein ganz kommoder Mann; es sei äußerst unwahrscheinlich, daß der den Krieg gemacht habe. Der Chauffeur Ratzenberger geriet in eine stille Wut, kaute an dem dicken, blonden Schnauzbart, seine runden, blaßblauen Augen stierten den Bäcker hilflos und zornig an. Dann trank er. »Hin muß er werden«, sagte er, sich den Schaum vom Barte wischend, den Bäcker bösartig anschauend. Er wisse genau, sagte er, daß der Rothschild einem Geheimverband angehöre. Er habe einmal den Rothschild zusammen mit einem galizischen Rabbiner in seiner Droschke gefahren, und die Unterredung der beiden sei sehr deutlich gewesen. Dann trank er.
    Diese offenbare Lüge brachte den Bäcker, einen sonst stillen Menschen, auf. Es war ein hagerer, trauriger Mann mit einem vielgebuchteten Birnenschädel über dem landesüblichen Kropf. Er trank. Dann sagte er still: »Hundsknochen, meineidiger, miserabliger.«
    Der Chauffeur Ratzenberger, im Begriff, den Bierkrug niederzustellen, verlangsamte die Bewegung. Einen Augenblick hielt er den Mund auf, seine Wangen blieben rosig wie die eines Kindes, während er den Kopf hochhob. »Das sagst noch einmal«, sagte er.
    Jetzt waren alle still. Denn sie wußten gut, worauf sich die Kennzeichnung des Chauffeurs Ratzenberger als eines meineidigen Hundsknochens bezog. Eines Abends nämlich, einige Monate nach dem Prozeß Krüger, und zwar am Feste Allerseelen, da man sich über die Beiträge der einzelnen Geschwister zu den Kosten der bunten Lämpchen und der Stoffblumen, mit denen an diesem Tag der kupferne Engel geschmücktwar, nicht hatte einigen können, waren die Zwistigkeiten besonders heftig aufgeflammt. Einer der Brüder des Franz Xaver war im Restaurant »Zum Gaisgarten« erschienen, es hatte Geschrei und wüste Beschimpfungen gegeben, und im Verlauf dieser Auseinandersetzung hatte der Bruder erklärt, Franz Xaver sei ein gemeiner Lügner. Auch seine Aussage über den Mann Krüger sei falsch, das habe er ihm ausdrücklich gesagt und sich dessen gerühmt. Vier oder fünf Leute hatten diesem Streit beigewohnt. Darunter der Bäcker. Sie hatten die Bekundungen des Bruders sehr deutlich gehört. Der Bruder hatte sie in verschiedenen Variationen wiederholt, bald verbissen drohend, bald schreiend, unmißverständlich, und Franz Xaver hatte sie eigentlich auch nicht bestritten. Er hatte nur erwidert: »Was bin ich? Ein Lügner bin ich?« Die vier oder fünf hatten nicht viel dazu geäußert, nur Bemerkungen allgemeiner Natur, wie, da solle man sich niederlegen, oder, da solle man herschauen. Im übrigen hatten sie sich nur gegenseitig stumm betrachtet. Der Chauffeur Ratzenberger hatte seine Aussage zur Unterstützung der Ordnung getan und der sittlichen Weltanschauung: es gehörte sich nicht, darüber eine Meinung zu haben, diese Aussage mit ordinärem Maßstab zu messen. Immerhin hatten sich den Ohrenzeugen die Worte des Bruders Ratzenberger ins Gedächtnis gegraben; sie wußten genau, was jetzt der Bäcker meinte, als er den Märtyrer seiner unerschrockenen Zeugenschaft als einen meineidigen Hundsknochen bezeichnete.
    Alle schauten also still und gespannt auf den hageren, traurigen Bäckermeister und auf den rosigen Chauffeur, der, nachdem er die Worte »Das sagst noch einmal« geäußert hatte, den Kopf vorgestreckt und hochgeschoben, wartete.
    Der Bäcker seinesteils antwortete still, hartnäckig und

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