Erinnerung Des Herzens
oder wollte seine Frau nicht verlassen. Eve hatte im Laufe der Jahre alle Register gezogen. Sie hatte gekämpft, getobt, geweint, aber schließlich hatte sie diese unüberwindliche Grenze der Ehe, wie sie die Kirche, der Victor angehörte, vertrat, akzeptiert. Aufgeben konnte sie ihn nicht, diesen Mann, um den sie mehr geweint hatte als um jeden anderen.
Der Himmel weiß, wie oft sie es versucht hatte, dachte Eve, als sie ein scharlachrotes Seidenkleid anzog. Sie hatte andere Männer geheiratet, sich Liebhaber genommen. Nichts hatte etwas genützt. Mit geschlossenen Augen, den Kopf zurückgelegt, sprühte sie Parfüm an ihren Hals und schloß dann langsam die kleinen Goldknöpfe, damit der Duft die leichte Seide durchdringen konnte.
Sie war Victor Flannigans Frau gewesen, seit sie ihn kannte, und sie würde als Victor Flannigans Frau sterben. Es gab schwerere Schicksale.
Sie traf ihn im Wohnzimmer an, er ging auf und ab, ein Whiskyglas in der Hand. Er hätte ohne weiteres nach oben in ihr Schlafzimmer kommen können. Aber Victor hatte immer, ohne Fragen zu stellen, ihre Arbeit und ihre Privatsphäre akzeptiert. '
»Ich hätte mir denken können, dass du bei mir landest, wenn es dich wieder erwischt«, sagte sie mit sanfter Stimme, in der kein Vorwurf mitschwang.
»Bezahlung erfolgt morgen.« Selbst als er wieder einen Schluck nahm, hatte er den Wunsch, das Glas wegzustellen. »Irisches Erbteil, Eve. Alle Iren lieben ihre Mütter und ein Glas guten Whisky. Meine Mutter ist tot. Gott schütze sie. Aber Whisky gibt es immer noch.« Er nahm sich eine Zigarette, weil er dadurch gezwungen war, das Glas wenigstens für einen Augenblick abzustellen.
»Es tut mir leid, dass ich dich warten ließ.« Sie ging zur Bar und öffnete den Kühlschrank. Sie nahm eine große Flasche Champagner heraus. Es würde wohl ein langer Abend werden.
Er schaute zu, wie gekonnt sie die Flasche öffnete, und der Korken mit einem leisen Laut heraussprang. »Du siehst wundervoll aus, Eve. Sanft, sexy und selbstsicher.«
»Ich bin sanft, sexy und selbstsicher.« Sie lächelte, als sie sich das erste Glas einschenkte. »Deshalb liebst du mich doch?«
Ruckartig drehte er sich um und blickte in das Feuer, das Nina angezündet hatte. Zwischen den Flammen und dem Whisky in seinem Glas schien sein Leben wie ein Film vor seinen Augen abzulaufen. Und in fast jedem Bild tauchte Eve auf.
»Himmel, ich liebe dich wirklich. Mehr, als ein vernünftiger Mann es tun sollte. Wenn ich nichts weiter zu tun hätte, als jemanden umzubringen, um dich zu bekommen, wäre das ein Kinderspiel für mich.«
Es störte sie nicht, dass er wieder trank, aber sie wusste, dass die Verzweiflung in seiner Stimme nichts mit seinem irischen Erbteil und nichts mit dem irischen Whisky zu tun hatte. »Was ist los, Victor? Was ist passiert?«
»Muriel ist wieder im Krankenhaus.« Der Gedanke an seine Frau ließ ihn sofort wieder zur Flasche greifen.
»Das tut mir leid«, sagte Eve und legte ihre Hand auf seine, nicht, um ihn vom Trinken zurückzuhalten, sondern um ihm allen Trost anzubieten, den sie ihm geben konnte. »Ich weiß, wie furchtbar das für dich ist, aber du kannst dir nicht ständig selber die Schuld dafür geben.«
»Kann ich das nicht?« Er goss sein Glas voll und trank, verzweifelt und ohne Genuss. Eve wusste, dass er betrunken werden wollte, musste. Die Folgen waren ihm jetzt völlig gleichgültig. »Sie gibt mir immer die Schuld, Eve, und warum auch nicht? Wäre ich bei ihr gewesen, als sie in die Klinik kam, und nicht in London, um irgendeinen verdammten Film zu drehen, könnten wir heute vielleicht alle drei frei sein.«
»Das war vor fast vierzig Jahren«, sagte Eve ungeduldig. »Ist das nicht Buße genug, für jeden Gott, für jede Kirche? Außerdem hätte deine Anwesenheit das Baby auch nicht retten können.«
»Das werde ich nie genau wissen.« Das war der Grund, weshalb er nie hatte Vergebung finden können. »Sie hat stundenlang dagelegen, bevor es ihr gelungen ist, Hilfe herbeizurufen. Zum Teufel, Eve, sie hätte damals gar nicht erst schwanger werden dürfen mit all ihren Leiden.«
»Es war ihre Entscheidung«, sagte Eve kurz. »Und es ist eine uralte Geschichte.«
»Der Anfang von allem - oder das Ende davon. Den Verlust des Babys hat sie nie verwinden können, weil sie seelisch ebenso empfindlich ist wie körperlich. Sie ist nie darüber hinweggekommen.«
»Und sie hat dafür gesorgt, dass du nie darüber hinwegkommst. Es tut mir leid,
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