Erinnerungen an die Wahrheit
Gottheit im Jenseits war natürlich jeder Aufwand gerechtfertigt, und so wurde mit der Grabherstellung und -ausstattung bereits gleich nach Amtsantritt des Königs begonnen. Kolonnen von Arbeitern hatten nichts anderes zu tun, als die Gräber in die Felsen zu schlagen, Wandgemälde anzufertigen, die den König verherrlichten, sowie Schreine, Sarkophage, königliche Särge usw. herzustellen. Größte Sorge der Könige war es, daß Grabräuber die Gräber aufbrechen, ausplündern und die Mumien der Könige zerstören könnten. Denn die Vernichtung der Königssymbole, der Mumie, der Bildnisse – ja auch der Namen – bedeutete bei dem symbolisch-magischen Denken der alten Ägypter zugleich die Vernichtung der Persönlichkeit für alle Ewigkeit und hatte für die Könige auch den Verlust des Anrechts auf königliche bzw. göttliche Herrschaft im Jenseits zur Folge.
Als im 19. Jahrhundert systematisch nach Gräbern im Tal der Könige gesucht wurde, hat man nur weitgehend ausgeplünderte Gräber aufgefunden. Sie waren schon zu Zeiten der Pharaonen aufgebrochen worden, wie man aus aufgefundenen „Gerichtsprotokollen“ weiß. Dennoch gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer noch einige, die meinten, ein ungeplündertes Grab im Tal der Könige finden zu können. Zu ihnen gehörte der Engländer Howard Carter. Er war bereits bei Ausgrabungen in Amarna dabei gewesen, der ehemaligen ägyptischen Hauptstadt zur Zeit des Pharaos Ech-en-Aton, der bereits im 14. Jahrhundert v. Chr. – ein Jahrhundert vor Moses – den Glauben an den alleinigen Schöpfergott (Aton, die Sonne, galt als sein Symbol) eingeführt und die alte Götteranbetung in Ägypten eingestellt hatte. Die Ägyptologen glaubten aus aufgefundenen Inschriften zu wissen, daß es zu dieser Zeit auch einen Mitregenten Semenchkare (manchmal Sakere genannt) und einen König Tut-ench-Amun gegeben hatte, die dem König Ech-en-Aton nachfolgten. Aus der sogenannten „Restaurationsstele“ ließ sich erkennen, daß der König Tut-ench-Amun die alte Götteranbetung wieder herstellte und das angeblich vorgefundene Chaos beendete. Dieser Pharao Tut-ench-Amun stand wie seine Vorgänger Ech-en-Aton und Semenchkare und wie sein Nachfolger Eje aber nicht auf den überlieferten, offiziellen Königslisten der nachfolgenden Ramessiden. Sie hatten zu ihrer Zeit versucht, überall jegliche Erinnerung an diese vorangegangenen Könige und an deren Epoche zu tilgen – aber es zeigte sich, daß doch Reste ihrer Lebensspuren erhalten blieben.
Da Tut-ench-Amuns Name in den alt-überlieferten „Gerichtsprotokollen“ über die ausgeplünderten Gräber niemals erwähnt wurde, hatte Howard Carter die Hoffnung, daß sein Grab vielleicht doch noch ungeöffnet im Tal der Könige zu finden sein könnte. Die Gräber von Ech-en-Aton und Semenchkare hatte man bereits in der Nähe von Amarna aufgefunden – allerdings sah es nicht so aus, als ob sie dort auch bestattet worden waren. Und das Grab des Eje hatte man bereits 1816 im Tal der Könige an abgelegener Stelle entdeckt.
Das geheimnisvolle Grab KV 55
Im Jahr 1907 entdeckte man im Tal der Könige das sogenannte Grab KV 55, das von den Ägyptologen bis heute noch keinem Pharao eindeutig zugeordnet werden konnte. Howard Carter nahm damals an, daß es das endgültige Grab von Ech-en-Aton war. Bei dem dort bestatteten König hatte man nachträglich die Königssymbole, den Namen des Königs und den Sarkophag entfernt. Der den Sarkophag umhüllende Schrein befand sich aber noch in Einzelteilen im Grab. Da auf dem Schrein Bildnisse von Ech-en-Aton ausgekratzt worden waren, lag die Vermutung nahe, daß eine „Vernichtungsaktion“ des Pharaos Tut-ench-Amun an seinem verhaßten Vorgänger Ech-en-Aton vorlag; denn im Eingangskorridor des Grabes fand man ein Siegel von Tut-ench-Amun. Manche hatten aber auch die Vermutung, daß es das Grab von Tut-ench-Amun selbst war – jedenfalls so lange, bis nebenan das Grab des Tut-ench-Amun von Carter aufgefunden wurde. Andere vermuteten wiederum, daß es sich bei dem Grab KV 55 um das Grab des Mitregenten Semenchkare handelte.
Aus einem Seherbericht („Verwehte Zeit erwacht“), der diesen Ausführungen zugrunde liegt, ist dagegen zu erfahren, daß Ech-en-Aton insgesamt ungefähr 30 Jahre lang als König regierte (zuerst in Theben als Amenophis IV. und dann in Amarna als Ech-en-Aton), und daß Semenchkare als Schwiegersohn in der letzten Zeit sein Mitregent geworden war. Beide starben bei einem
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