Erinnerungen an die Wahrheit
mit überaus großem Interesse verfolgt wurden, die aber auch von unerfreulichen Streitigkeiten mit den ägyptischen Behörden überschattet waren. Trotz der aufgefundenen, sagenhaften Schätze blieb bei Howard Carter am Ende eine gewisse Enttäuschung. Keine Auskunft darüber, wer Tut-ench-Amun wirklich war! Keine Texte, die Rückschlüsse zuließen, wer die Eltern waren, und warum der König in so jungen Jahren verstorben war. Tut-ench-Amun blieb so rätselhaft wie zuvor.
Der rätselhafte Thronsessel
Die alten Ägypter waren Meister der Symbolik, und unter diesem Aspekt spricht das Grab Bände! Es empfiehlt sich, jede Kleinigkeit im Grab genau zu beachten. Es ist den Versuch wert, einmal wie ein Detektiv einen prüfenden Blick auf das zu werfen, was dort gefunden wurde: auf die Grabbeigaben, auf die Schreine, auf die Särge und auf die Mumie selbst. In Kenntnis und mit Hilfe des Seherberichtes in „Verwehte Zeit erwacht“ sind diese Grabgegenstände leicht zu deuten und zu verstehen. Andererseits wird auch der Seherbericht durch die Gegenstände voll bestätigt.
Größtes Kopfzerbrechen bereitete den Ägyptologen der Thronsessel des Tut-ench-Amun. Der König Tut-ench-Amun hatte gemäß der aufgefundenen „Restaurationsstele“ den Aton-Glauben des Ech-en-Aton abgeschafft, aber auf dem Thronsessel gab es klar und deutlich das Aton-Symbol (die Sonne als Symbol für den alleinigen Schöpfergott) und sowohl den Namen Tut-ench-Aton als auch den Namen Tut-ench-Amun. Aus dem Seherbericht kann man entnehmen, daß der Knaben-König – der Sohn des Babyloniers Tut-ench-Amun – sowohl seinen Geburtsnamen Tut-ench-Aton trug als aber auch den „offiziellen“ Namen Tut-ench-Amun, nachdem die Amun- und Re- Priester seit der Regentschaft des Babyloniers wieder das Sagen hatten. Der Knaben-König wurde aber von dem alten Priester Eje (ein Getreuer des ermordeten Pharaos Ech-en-Aton) heimlich im Aton-Glauben erzogen. Und Eje hatte auch als nachfolgender König die Bestattung des Knaben-Königs nach alter ägyptischer Tradition durchgeführt – und dabei die Erinnerung an die Amarna-Zeit unter Ech-en-Aton aufrechterhalten.
Der Knaben-König ist im Grab zur Zeit seines Amtsantritts – mit den Königssymbolen versehen – als pausbäckiger Vierjähriger dargestellt. Eine Holzbüste im Grab, die als Modell diente, zeigt einen zehn- bis zwölfjährigen Jungen mit Pharaonenhaube. Und eine andere Holzbüste zeigt – ein gleichaltriges Mädchen (auf der Lotusblume). Diese zweite Holzbüste stellt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht den jungen Pharao dar, wie die Ägyptologen heute annehmen, sondern die gleichaltrige Maket-Aton, die Tochter seines Onkels Semenchkare. Der junge König war mit ihr zusammen aufgewachsen und als Zwölfjähriger hatte er sie zu heiraten beabsichtigt.
Auf dem Thronsessel und auf anderen Grabbeigaben sieht man Maket-Aton – die aber offiziell den Namen der Königsmutter Anches-en-Amun trug bzw. unter diesem Namen Königin werden sollte – zusammen mit dem Knaben-König bereits als „Große Königsgemahlin“. Unschwer ist zu erkennen, daß die beiden Königskinder in großer Zuneigung aneinander hingen, und man darf annehmen, daß ihr weiteres Zusammenleben im Jenseits durch diese Darstellungen im Grab gewährleistet werden sollte. Das Mädchen war, wie der Seherbericht erklärt, auf Anweisung der Königsmutter Anches-en-Amun kurz vor der Hochzeit „beseitigt“ worden, weil sie ihre Machtposition als Königsmutter nicht so früh an die junge Königsgemahlin abgeben wollte. Vor Grauen und Entsetzen über die heimtückische Ermordung seiner Braut war auch der junge König nur wenig später gestorben. Er konnte wohl auch einer seit seiner Geburt einwirkenden Krankheit nicht mehr genügend Kraft entgegensetzen. (Man sieht ihn auf Abbildungen auffällig oft mit Stock bzw. im Sitzen beim Bogenschießen.) Es ist also nicht verwunderlich, daß die „Große Königsgemahlin“ an der Begräbnisfeier nicht teilnahm (sie hätte sonst auf dem Wandgemälde im Grab dargestellt werden müssen), und es ist auch nicht verwunderlich, daß wir nichts über die Eltern von Tut-ench-Amun erfahren (sie hätten normalerweise im Grab gebührend gewürdigt werden müssen).
Dreifache Königsbestattung?
Der Schrein galt bei den alten Ägyptern als „Haus der Gottheit“. In ihm standen die Götterfiguren. Daher wurde der nach seinem Tod glaubensgemäß zur Gottheit gewordene Pharao immer in einem mit religiösen
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