Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
gelegen, also versuchten Dad und sie alles Mögliche, Behandlungen, um die Fertilität zu erhöhen, und sogar künstliche Befruchtung. Es hat einfach nicht funktioniert. Dad schlug vor, ein Kind zu adoptieren, aber sie sagte: Nein, das brauche ich nicht, ich habe ja Jamie. So habe ich versucht, ein Sohn für sie zu sein, und ich wünschte, ich hätte ihr mehr geben können, indem ich zum Beispiel an die Ostküste gezogen wäre, aber meine Arbeit ist nicht dort, und ich glaube, sie versteht das.
Dann kam er zu dem, wie ich meinte, eigentlichen Grund für seinen Brief:
Ich hatte nie Zweifel, dass Dad mich liebte oder da war, um mir den Rücken zu stärken. Das wurde ein paar Mal sehr wichtig, als ich in der Schule Mist baute, als ich in Harvard, wo manche Professoren sich noch an ihn erinnerten, nicht so gute Noten hatte wie er zu seiner Zeit, und entscheidend wurde es natürlich, als ich nach Hollywood ging und meine Arbeiten immer wieder an Agenten schickte, ohne einen zu finden, der mich vertreten wollte, oder später, als ich schließlich einen hatte, kein Regisseur oder Produzent sich für meine Sachen interessierte. Ich meine gar nicht so sehr, dass er mir Geld zum Leben gab, ohne großes Trara. Warum auch nicht? Er war reich geworden und machte kein Geheimnis daraus. Was ich meine ist, dass er meine Arbeit schätzte und verstehen wollte. Er gab sich große Mühe damit, was nicht leicht war, weil er nie ferngesehen und null Ahnung von Popkultur hatte. Das Verrückte ist, dass er es schaffte und mir Kommentare und Einschätzungen gab, die oft dem, was ich von meinem Agenten oder von Freunden zurückbekam, weit voraus waren. Dass Jane als Leserin und Ratgeberin fabelhaft war und ist, muss ich dir wohl nicht erklären. Sie ist ein echter Profi, und sie hat die gleiche Art von Sympathie oder Empathie wie Dad.
Als ich dann Stella kennenlernte und ziemlichen Krach mit Mom hatte, blieb er ganz gelassen. Auch als Mom ihn fünfmal am Tag anrief und ihm einschärfte, er müsse verhindern, dass ich mein Leben ruiniere, und auch mit mir war er ganz ruhig. Er passte auf, dass ich nicht in die Falle lief, zu denken, nur weil Mom meint, ich solle die Finger von Stella lassen, müsste ich unbedingt das Gegenteil tun und sie ahora mismo heiraten. Du fragst dich vielleicht, und zwar mit Recht, was so furchtbar schlimm an Stella war, oder vielleicht auch nicht, weil Mom dir schon von der Chicana erzählt hat. Aber dass sie mexikanischer Herkunft ist oder dass ihre Eltern Salat in Salinas gepflückt haben oder dass sie die erste Person in ihrer Familie ist, die studieren konnte, ist nicht alles. (Übrigens hat sie einen Master in Mathematik und unterrichtet an einer Highschool.) Als Erste in der Familie in die Highschool oder ans College zu gehen, ist mittlerweile ein amerikanischer Witz. Nicht mal bei Mom kann ich mir vorstellen, dass sie herumläuft und ihren Freunden erzählt: Oh mein Gott, die Eltern meiner Schwiegertochter sind nur bis zur zehnten Klasse in die Schule gegangen. Nein, die drei Hauptprobleme sind, dass Stella nicht sehr weiß ist (Mom nennt es »Tagelöhnerfarbe«), dass ihre Eltern außer ihr noch sechs Kinder haben, was bedeutet, dass ich gleich eine ganzen Tagelöhnersippe geheiratet habe, und schließlich, dass die Eltern nicht nur keine angemessene Bildung haben, sondern auch keine Aufsteiger sind, weil ihnen der Antrieb fehlt. Als ich Stella kennenlernte, hätten sie es zu einer Bodega oder etwas Vergleichbarem gebracht haben müssen, aber sie besaßen einen Taco-Stand! Den haben sie übrigens immer noch, und ihre Tacos sind saugut. Ach ja, ich habe noch was vergessen: Die Großeltern, die alten Garcias, lebten noch! Dieses Problem ist mittlerweile zu drei Vierteln gelöst. Stellas Großvater mütterlicherseits ist tot, beide Großeltern väterlicherseits auch; die Großmutter lebt bei Stellas Eltern. Warum erzähle ich dir das alles? Nicht, um Mom schlechtzumachen. Wenn man bedenkt, wer sie ist und wie zwanghaft fixiert auf die Stammbäume der De Bourghs und Goddards und die Geschichte Rhode Islands, kann man sich denken, dass sie nicht hurra schreit – hurra, mein einziger Sohn bringt Vielfalt in die Familie! Das hatte sie schon selbst besorgt, indem sie Dad heiratete! Nein, ich möchte einen Kontrast bieten. Dad war, wie du vielleicht gemerkt hast, bei all seinen aufrichtig progressiven und linksliberalen Ansichten auf seine eigene, viel leisere Art ein schlimmerer Snob als Mom. Die Gründe
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