Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
liegen auf der Hand: Er maß den weiten Weg von der Autowerkstatt, den er gegangen war, und sah gar nicht gern, wie »ich alles wegwarf«. Gesagt hat er das nicht, aber ich merkte es ihm an. Er sah noch ein anderes Problem – eines, das Mom auch hatte, aber deutlich weniger, und ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob es ihr überhaupt klargeworden war –, und das hatte mit Geld zu tun. Er und ich, wir redeten nicht über Geld: Er gab es mir einfach, meistens, ohne dass ich darum gebeten hatte. Aber als ich erzählte, dass es mir mit Stella sehr ernst sei, sagte er viel Freundliches, meinte aber auch, ich hätte bestimmt begriffen, dass ich nach seinem Tod reich sein würde, nein, sehr wohlhabend, sagte er, glaube ich, und er warnte mich: Ich müsse sichergehen, dass dieser Wohlstand meine Beziehungen zu Stellas Familie nicht verfälschen würde. »Verfälschen«, so nannte er es. Ich solle aufpassen, dass ich nicht zum Sparschwein der Garcias würde. Was ich damit sagen will: Schließlich erkannte Dad, wie groß meine Liebe zu Stella war, und er beobachtete sie genau genug, um zu spüren, dass auch sie mich aufrichtig liebte, und als das geklärt war, überwand er seinen Stolz und seine Vorurteile und entschloss sich, wirklich nett zu sein. Das schaffte er übrigens auch und Jane genauso, obwohl sie anfangs selbst nicht gerade begeistert war. Für beide standen meine Person und meine Gefühle an erster Stelle, und sie waren in der Lage, in die Zukunft zu blicken und zu sehen, dass sie es sich mit mir verderben würden, wenn sie es sich mit Stella verdarben.
Mom dagegen nahm nur ihre eigenen Gefühle wich tig, ihren Stolz, und in die Zukunft blicken konnte sie nicht. So wie sie sich benahm, widersprach sie sich selbst. Du kennst Mom seit so vielen Jahren, also weißt du bestimmt, dass sie damals die unkonventionelle Romantikerin, die Rebellin manchmal und das Bad Girl war, während Dad im Grunde immer ein Biedermann war, der sauber und nüchtern blieb und für Exzentriker, Bohemiens, Spinner und Co. nichts übrighatte.
Ich las Jamies Brief zweimal durch, schwamm genau zwanzig Minuten lang und fuhr dann nach Salisbury, wo ich mir einen Cheeseburger mit Pommes frites und zum Kaffee Heidelbeerkuchen à la mode bestellte. Das war mehr ungesundes Essen, als ich mir sonst in einer ganzen Woche erlaube, aber irgendwas in mir sagte: Und wenn schon, iss, was du möchtest, nimm eine zweite Portion Pommes frites, und wenn du Lust auf eine Zigarette hast, nur zu, geh hin und kauf dir eine Schachtel Marlboro. Der Briefkopf der Bögen, die Jamie verwendet hatte, enthielt außer der Adresse auch eine Telefonnummer. Ich rief ihn an, als ich wieder zu Hause war, um zwölf Uhr kalifornischer Zeit, weil ich meinte, dass ich dann eine gute Chance hätte, ihn im Büro zu erreichen. Es war aber seine Privatnummer; eine angenehme freundliche Frau nahm das Gespräch entgegen und meldete sich mit dem Namen Stella. Sie sagte, sie wisse genau, wer ich sei, Jamie werde sehr gern mit mir sprechen, und sie verbinde mich mit seinem Handy. Er sei in seinem Büro, aber es sei bestimmt in Ordnung, ihn zu stören. Er nahm beim ersten Klingelton ab, und sie legte auf, als sie seine Stimme hörte.
Jamie, sagte ich, du hast mir einen erstaunlichen Brief geschickt. Ich hoffe, dein Vater wusste, wie sehr du ihn geliebt und wie gut du ihn verstanden hast.
Er gab ein Geräusch von sich, das wie ein Grunzen klang. Ich verstand es als einen Ersatz für ein Ja, und dann sagte er mir noch einmal, wie gern er mich besucht hätte. Ich erwiderte, dass er mich nur wissen lassen müsse, wann ein Besuch bei ihm und Stella passend sei, ob vor oder nach der Geburt des Babys, und ich würde mich auf den Weg machen. Wieder kam ein Grunzen, worauf ich fragte, wie er zurzeit mit Lucy auskomme.
Ach, na ja, sie kommt langsam wieder auf den Teppich. Sie hat tatsächlich gesagt, sie würde uns gern sehen, möglichst bald, nachdem das Baby geboren ist. Weihnachten hat sie dabei im Sinn, denke ich. Das ist uns recht, solange sie versteht, dass die Garcias zum Weihnachtsessen bei uns sein werden. Unser Haus ist groß genug. Die anderen haben nicht so viel Platz. Ich habe ihr noch nichts davon verraten, muss es aber sagen, bevor sie sich ganz in ihre Pläne verrennt. Wir werden sehen. Das größte Problem mit ihren Besuchen ist, dass wir sie nicht bei uns wohnen lassen. Stella meint, wir sollten es, aber ich kenne Mom besser. Das würde schlimm enden. Ganz in unserer Nähe sind
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