Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Vaters verbunden seien, wolle er gern, dass auch seine Zeugenaussage ins Protokoll aufgenommen werde. Manches von dem, was er schrieb, war mir schon bekannt. Jamies Bericht aus erster Hand von der Wirkung, die die Trennung auf ihn hatte, war neu und betrübte mich tief:
Dad stürmte hinaus, und Mom drehte vollkommen durch. Sie machte sich einen Drink, legte ihre Lieblingsplatte auf, eine 45er-Single mit diesem Piaf-Lied »Rien de rien, non je ne regrette rien de rien« – und spielte sie immer und immer wieder ab. Sie tanzte dazu, mit dem Glas in der Hand. Dann war auf einmal Sommer, der schlimmste meines Lebens. Mom und Dad hatten nichts besprochen, bevor er ging, nicht, wann ich ihn sehen konnte, wie es in den Ferien laufen sollte und so weiter, und sie waren rasend vor Wut aufeinander, total unfähig, sich über irgendwas zu verständigen. Gleich nach der Abschlussfeier an der Schule fuhren Mr. Cowles, der Lehrer vom St. Bernard’s, der mein Tutor war, und ich nach Little Compton. Mrs. Smith, unsere Köchin, kam mit, um uns den Haushalt zu führen. Mom sagte, sie müsse in der Stadt bleiben, bis ihr Arzt Ferien machte, aber sie kam an Wochenenden, grün um die Nase und stinksauer. Das waren keine schönen Wochenenden. Mr. Cowles fuhr weg, die Köchin auch, und ich musste auf Zehenspitzen durchs Haus schleichen, weil Mom meistens schlief. Oder sie ging aus, und Mrs. Ticknor, eine alte Schachtel mit fauligem Atem, sollte auf mich aufpassen, weil Mom meinte, es sei schlecht, keinen Erwachsenen im Haus zu haben. Nicht dass ich einen Aufpasser gebraucht hätte, ich war vierzehn und die Gegend sicher. Wie auch immer, Mom wusste es zwar nicht, aber kaum war sie aus der Einfahrt, fiel Mrs. Ticknor über die Hausbar her und bediente sich freizügig. Sie war Moms Sozialkundelehrerin oder so gewesen. Mom erklärte Mr. Cowles und mir, dass die Ticknors eine sehr angesehene alte Familie aus Rhode Island oder Connecticut seien, die ihr gesamtes Geld verloren hätten. Mr. Cowles – damals nannte ich ihn schon Hugh – war für solche Sachen sehr zu haben. Am Ende habe ich Mom Bescheid über Mrs. Ticknor gesagt. Den Krach kannst du dir vorstellen. Danach, als Mom in die Stadt zurückgefahren war, kam Mrs. Ticknor zum Haus und verfluchte mich und sagte, sie strafe mich mit dem bösen Blick. Während der Woche war alles in Ordnung, weil Hugh und ich morgens zum Tennis in den Club gingen und nachmittags mit der Mercury segelten, die Dad mir zum Examen geschenkt hatte. Dann gab es den ersten richtig schlimmen Krach, als Dad an einem Dienstag kam und mit mir nach Newport fuhr, weil Großva ter Snow seinen siebzigsten Geburtstag feierte. Wir waren ziemlich früh am Abend wieder zurück, aber in der Zwischenzeit hatte Mom angerufen und mit mir sprechen wollen, und Hugh hatte keine Wahl: Er sagte ihr, wo ich war. Mom rastete aus und schrie ihn an, und als wir zurückkamen, schrie sie mich an, und als Dad das Telefon nahm, schrie sie ihn an, bis er einfach auflegte. Wir hatten sie angerufen, als wir wieder im Haus waren, weil sie Hugh gesagt hatte, sie werde die Polizei einschalten, wenn wir uns nicht meldeten. Auch ohne Polizei fing der rechtliche Kram sofort an. Mom versuchte eine Verfügung durchzusetzen, die Dad verbieten würde, bei mir aufzutauchen. Daraus wurde nichts. Dann riet man Dad, sich eine Verfügung zu beschaffen, die festlegte, wann er mich sehen konnte, aber das Verfahren zog sich hin, und bevor es zur Entscheidung kam, war ich im Internat in Exeter und weg von diesem Mist.
Ich habe so viel von dieser kurzen Zeit erzählt, damit du es leichter hast, zu verstehen, was für eine riesige, lebensrettende Erleichterung das Ende dieser Ehe war. Solange ich denken kann, haben sie gestritten, oder eher, bei jedem beliebigen Anlass hat sie ihn heruntergeputzt. Egal, worum es ging. Wie er Auto fuhr, gab viel her. Sein Aufschlag beim Tennis – sie fand, er schlage den Ball nicht hoch genug und könne nicht richtig durchziehen, und damit hatte sie recht, aber was sollte er machen? Niemand hatte ihm gezeigt, wie es geht. Die Art, wie er tranchierte, besonders Lammkeule und Puter, fand sie typisch Unterschicht. Es hatte was damit zu tun, ob man mit oder gegen die Fasern schnitt, eines von beiden, ich weiß nicht mehr, und damit, wie er das Messer hielt. Sie sagte ihm, er solle Onkel John und Grandpa De Bourgh dabei zusehen, die könnten wunderbar tranchieren. Tagsüber schwarze Schuhe tragen. Das fand sie ganz unmöglich. Er
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