Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
ein paar richtig gute Hotels, und man würde denken, dass sie sich lieber dort einquartiert; stattdessen betont sie dauernd, teure Hotels könne sie sich nicht leisten. Wenn sie wirklich kommen will, zahle ich ihr diesmal das Hotel und einen Mietwagen und sage, das sei mein Weihnachtsgeschenk. Punkt. Und wenn sie beschließt, das Weihnachtsessen mit uns und den Garcias lieber ausfallen zu lassen, kann sie im Hotel essen. Natürlich hoffe ich, dass es nicht so weit kommt.
Viel Glück! sagte ich und fügte hinzu, dass ich noch eine andere Frage hätte. Ob er wisse, warum Thomas Lucy – und ihn – gerade zu diesem Zeitpunkt verlassen habe?
Jamie lachte: Da gibt es zwei Versionen, erzählte er mir, Dad hat eine andere als Mom. In Moms Version, die sie mir jahrelang eingetrichtert hat, hat Dad sie mit Jane betrogen, und als sie das herausfand und ihn zur Rede stellte, ging er in die Luft, versuchte, sie umzubringen, und stürmte aus der Wohnung. Das habe ich ihr nie geglaubt, denn zufällig war ich dabei, als Dad und Jane etwas miteinander anfingen, und das war über ein Jahr später. Das habe ich ihr auch gesagt, aber sie tat, als würde sie kein Englisch verstehen. Ich habe übrigens nie einen seiner Wutanfälle miterlebt. Die gehören auch zu Moms Gründungsmythos. Dad hat mir seinen Grund erst verraten, als ich schon auf dem College war, eine schwierige Zeit durchmachte und mit einer Therapeutin arbeitete. Mit Hilfe dieser Frau machte ich mir klar, wie das Gefühl, dass Dad mich im Stich gelassen habe, mit einigen meiner Probleme verquickt war. So fragte ich ihn, warum er gerade dann gegangen sei, warum so brutal, ohne den Schlag für mich zu mildern, ohne Absprachen, die mir diesen scheußlichen Sommer erspart hätten. »Brutal« habe ich gesagt. Das Gespräch war für uns beide schmerzhaft, das kannst du dir vorstellen. Er sagte, er habe gerade an dem Tag erfahren, dass sie sich wieder mit einem Mann eingelassen hatte, mit dem sie schon vorher etwas gehabt hatte, und er habe sich dermaßen betrogen und gedemütigt gefühlt, dass er meinte, handeln zu müssen. Das bereue ich immer noch, fügte er hinzu. Ja, ich musste gehen, nein,eine Alternative gab es nicht, aber ich hätte es anders machen müssen, ich hätte versuchen müssen, weniger Schaden anzurichten, sagte er. Das Komische ist, dass ich später herausfand, wer dieser Kerl war. Als Dad gegangen war, rief dieser Mensch ab und zu an. Er hatte einen unverkennbaren Akzent, und wenn ich den Anruf annahm, sagte er nur seinen Vornamen und verlangte Mom. Nach den Telefonaten – ich musste aus dem Zimmer gehen, solange sie redeten – sagte sie: Ich muss noch mal weg. Wenn er anrief, während ich wegen eines Feiertags in der Stadt war, verschwand sie dann für den Nachmittag oder den Abend, und wenn wir uns in Little Compton aufhielten, sagte sie: Ich fahre in die Stadt. Ich muss etwas erledigen. Seinen Namen verrate ich dir nicht, fügte Jamie hinzu. Das hat keinen Sinn.
Einen Moment lang schwieg er.
Dann redete er weiter: Weißt du, all das ist jetzt nicht mehr wichtig. Nur dieses eine Mal hat er mich verletzt, schlimm verletzt, aber wie soll ich wissen, ob ein langsamer Abschied mit dem dauernden Streit und den Beschuldigungen, die es bestimmt gegeben hätte, eine bessere Lösung gewesen wäre. Und Mom? Dass sie eine oder beliebig viele Affären hatte, nehme ich ihr nicht übel. Sie hat nach etwas gesucht, das sie bei Dad nicht fand. Er war gutmütig und hatte lauter gute Eigenschaften, aber das war kein Ersatz für das, was ihr fehlte. Sie war sehr unglücklich. Diese beiden hätten nie heiraten sollen, das ist der eigentliche Punkt. Sie hätten nie ein Kind haben dürfen.
Du spinnst, sagte ich. Du bist so wunderbar geworden. Dein Vater hat es gewusst. Deiner Mutter werden die Augen auch noch aufgehen, hoffe ich. Vielleicht Weihnachten, wenn du an deinem Plan festhältst.
Ich denke ständig an Bella, nicht wie der Mann in Prousts Roman, der oft, aber immer nur kurz an seine tote Frau denkt. Bellas Gegenwart ist real, beinahe greifbar. In Wellen überschwemmt mich das Bedauern, dass sie zusammen mit ihrer Familie auf dem Friedhof von Montparnasse liegt und nicht unter meinem Hügel in Sharon, wo Josiah hoffentlich meine Asche begraben wird. Ich verstehe, dass dies kindisch und sentimental ist. Bella kann weder wissen noch wichtig finden, wo ich sie zur Ruhe gebettet habe, es ist außerdem der Ort, den sie sich ausgesucht hatte. Und weder sie noch ich
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