Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
seine Schwägerin, seine Schwester, den Grafen Poniatowski und alle, die zu mir hielten, in den Kopf gesetzt hatte. Ferner erfuhr ich, daß er fast immer mit Iwan Schuwaloff zusammen war, und ich ahnte, daß man ihn von mir abwendig machen wollte, um mich dafür zu strafen, daß ich ihn verhindert hatte, Fräulein Hittroff zu heiraten. Es war mir gewiß, daß man weit genug gehen werde, um ihn zu Indiskretionen zu verleiten, die sehr unangenehme Folgen für mich haben konnten. Seine Schwester und Schwägerin, sowie sein Bruder waren ebenfalls um meinetwillen sehr böse auf ihn. Er betrug sich aber auch wirklich wie ein Verrückter und beleidigte uns mit der größten Dreistigkeit, wo er nur konnte – und dies zu einer Zeit, wo ich auf meine Kosten das Haus ausmöblierte, das er nach seiner Verheiratung bewohnen sollte. Jedermann klagte ihn der Undankbarkeit an und sagte ihm, daß er nicht die geringste Ursache habe, sich zu beschweren und in solcher Weise zu handeln. Kurz, man sah deutlich, daß er denen, die sich seiner bemächtigt hatten, nur als Werkzeug diente. Er machte dem Großfürsten regelmäßiger den Hof, suchte ihn so viel als möglich zu amüsieren und verleitete ihn mehr und mehr zu Dingen, von denen er genau wußte, daß ich sie mißbilligte. Ja, er trieb seine Unhöflichkeit mitunter soweit, daß er, wenn ich mit ihm sprach, nicht antwortete. Und ich weiß bis heute noch nicht, was ihm damals in den Kopf gestiegen war, während ich ihn und seine ganze Familie, solange ich sie kannte, mitWohlwollen und Freundschaft überhäufte. Ich glaube aber, daß er sich – gleichfalls auf den Rat der Schuwaloffs, bemühte, dem Großfürsten gefällig zu sein, weil sie ihm vorstellten, daß dessen Gunst ihm einst wertvoller sein werde, als die meine, denn ich wäre bei der Kaiserin und dem Großfürsten schlecht angeschrieben und keiner von beiden liebte mich. Er werde daher seinem Glücke nur schaden, wenn er sich von mir nicht lossage, denn nach dem Tode der Kaiserin würde der Großfürst mich in ein Kloster stecken – und andere ähnliche Aeußerungen der Schuwaloffs, die mir alle hinterbracht wurden. Außerdem zeigte man ihm aus der Ferne den St. Annenorden als Beweis der Gunst des Großfürsten. Mit Hilfe solcher Versprechungen und Auseinandersetzungen brachte man schließlich diesen schwachen, charakterlosen Menschen zu all den kleinen Verrätereien, die man von ihm wünschte. Ja, er ging sogar weiter als verlangt wurde, obwohl er – wie sich später zeigen wird – Anwandlungen von Reue hatte. Damals indes tat er alles, was in seiner Macht stand, den Großfürsten von mir zu entfernen, so daß dieser mich fast unaufhörlich schalt und sein Verhältnis mit der Gräfin Elisabeth Woronzow wieder anknüpfte.
Zu Anfang des Frühlings verbreitete sich das Gerücht, daß Prinz Karl von Sachsen, der Sohn des Königs August III. von Polen, nach Petersburg kommen werde. Dem Großfürsten mißfiel dieser Besuch aus verschiedenen Gründen. Erstens, weil er dadurch eine Vermehrung persönlicher Unbequemlichkeiten befürchtete, denn er konnte nicht leiden, wenn die Lebensweise, die er sich zurecht gemacht hatte, auch nur im geringsten gestört wurde; zweitens, weil das sächsische Haus auf seiten der Feinde des Königs von Preußen stand, und drittens vielleicht auch, weil er bei einem eventuellen Vergleich zu verlieren fürchtete. Das letztere zeugte allerdings von größterBescheidenheit, denn der arme Prinz von Sachsen war ein ganz nichtssagender Mensch, ohne alle Kenntnisse und Bildung. Die Jagd und den Tanz ausgenommen, verstand er nichts; und er selbst sagte mir, daß er in seinem ganzen Leben kein Buch in der Hand gehabt hätte, außer den Gebetbüchern, die ihm seine bigotte Mutter, die Königin, schenkte.
Prinz Karl von Sachsen kam also am 5. April dieses Jahres in Petersburg an. Man empfing ihn mit großer Feierlichkeit und bedeutendem Aufwande von Glanz und Pracht. Sein Gefolge war sehr zahlreich. Eine Menge Polen und Sachsen, unter ihnen ein Lubomirski, ein Pototski, ein Rzewuski, den man den Schönen nannte, ferner zwei Fürsten Sulkowski, ein Graf Sapieha, Graf Branitzki, später Oberfeldherr, ein Graf Einsiedel und viele andere, deren Namen ich mich augenblicklich nicht erinnere, begleiteten ihn. Er hatte auch eine Art Untergouverneur bei sich, namens Lachinal, der sein Benehmen und seine Korrespondenz leitete. Man quartierte den Prinzen in das Haus des Kammerherrn Iwan Iwanowitsch Schuwaloff ein.
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