Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
obgleich ich die erste war, die an die Möglichkeit unseres Unternehmens, an die Entthronung eines zum Herrschen unfähigen Monarchen geglaubt, weder die Geschichten, die ichgelesen, noch die glühende Einbildungskraft eines achtzehnjährigen Wesens diese Ereignisse so haben malen können, wie sie die Wirklichkeit in wenig Stunden uns vorführte.
Am Nachmittag des 27. Juni war es, als Gregor Orloff kam, um mir die Verhaftung des Hauptmanns Passik zu melden. Letzterer und Bredichin waren am Abend zuvor mit mir zusammen gewesen, um mich vor der Gefahr zu warnen, in die uns die Ungeduld der Soldaten versetzen konnte, die, den Gerüchten über die Gefahr der Kaiserin Glauben schenkend, offen über Peter III. murrten und verlangten, gegen die holsteinschen Truppen in Oranienbaum geführt zu werden. Um die Befürchtung dieser beiden Herren, die sehr in Angst zu sein schienen, zu mildern und um zu zeigen, daß ich persönlich nicht vor der Gefahr zurückschreckte, bat ich sie, den Soldaten in meinem Namen zu versichern, daß ich täglich von der Kaiserin Nachricht habe, die in voller Sicherheit in Peterhof lebe. Es sei durchaus nötig, sich ruhig zu verhalten und gehorsam auf die Befehle zu warten, sonst würde der günstige Augenblick zur Tat vielleicht nie kommen. Passik und Bredichin beeilten sich, den Soldaten diese Botschaft zu überbringen, aber in der allgemeinen Verwirrung und dem Tumult kam unser Geheimnis zu den Ohren Voisikoffs, eines Majors der Preobraschenskischen Garde, der Passik augenblicklich festnehmen ließ und so die Entdeckung, aber auch die Katastrophe unserer Verschwörung beschleunigte.
Als Orloff mir die Nachricht von dieser Verhaftung überbrachte, deren Ursache und nähere Umstände er nicht kannte, war gerade Panin bei mir. Sei es infolge seines natürlichen Phlegmas und der Schlaffheit seines Charakters, sei es, weil er wünschte, mir die drohende Gefahr zu verbergen – kurz, er schien das Ereignis in einem weniger ernsten Licht anzusehen als ich es tat, und sprach mit großer Ruhe darüber,wie von der natürlichen Folge irgend eines militärischen Vergehens. Ich aber sah es im Gegenteil als ein Zeichen an, einen entscheidenden Schritt zu tun, und obgleich ich ihm nicht dieselbe Idee beibringen konnte, so baten wir ihn doch, sofort nach der Kaserne des Regiments zu eilen und die besonderen Umstände von Passiks Verhaftung zu erforschen, um sich zu versichern, ob er als Staatsgefangener behandelt werde, oder nur wegen eines militärischen Vergehens festgenommen worden wäre.
Als Orloff fort war, bat ich meinen Onkel Panin, mich zu verlassen, unter dem Vorwand, der Ruhe bedürftig zu sein. Aber sobald er sich entfernt hatte, nahm ich einen großen Herrenmantel um und ging in dieser Verkleidung zu Fuß nach der Wohnung Rasloffleffs.
Ich war noch nicht weit gegangen, als ich einen Mann zu Pferde in vollem Galopp auf mich zukommen sah. Ich weiß nicht, weshalb ich auf die Idee kam, daß es einer der Orloffs sein müsse, von denen mir nur Gregor bekannt war. Aber die Ueberzeugung, daß es so sein müsse, war so stark in mir, daß ich den Mut hatte, seinem ungestümen Lauf Einhalt zu tun, indem ich ihn beim Namen rief. Der Reiter hielt an, und als er hörte, wer ihn gerufen, sagte er: »Ich war auf dem Wege zu Ihnen, Fürstin, um Ihnen zu sagen, daß Passik Staatsgefangener ist, von vier Schildwachen an der Tür und zwei an jedem Fenster bewacht. Mein Bruder Gregor ist mit der Nachricht zu Panin, und ich habe es eben Rasloffleff mitgeteilt.« – »Und ist dieser sehr bestürzt darüber?« – »Einigermaßen,« erwiderte er; »aber warum sind Sie auf der Straße, gnädige Frau? Erlauben Sie mir, Sie nach Hause zu begleiten.« – »Wir sind hier weniger beobachtet, als wir es in meinem eigenen Hause, umgeben von der Dienerschaft, sein würden,« antwortete ich. »Aber in diesem Augenblick genügen wenige Worte. Gehen Sie, sagen Sie Rasloffleff,Lassunski, Tschertkoff und Bredichin, daß sie ohne Verzug zu ihrem Regimente, den Ismailoffskischen Garden, eilen und auf ihrem Posten bleiben sollen, um die Kaiserin am Weichbilde der Stadt zu empfangen. Dann reiten Sie oder einer Ihrer Brüder wie der Blitz nach Peterhof und flehen Sie die Kaiserin in meinem Namen an, augenblicklich eine Postkutsche zu nehmen, die sie bereit finden wird, und nach dem Stadtviertel der Ismailoffskischen Garden zu fahren, die nur darauf warten, sie als Herrscherin zu proklamieren und in die Hauptstadt im Triumphe
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