Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
solchen Dingen verstünde.
Drittes Kapitel.
Unpopuläres Benehmen des Kaisers. – Festessen bei Gelegenheit des Friedens mit Preußen. – Peter beleidigt seine Frau vor allen Gästen. – Erster Akt der Verschwörung. – Marschall Razumowski. – Panin und die übrigen Personen unserer Partei.
Mittlerweile setzte der Kaiser sein gewohntes Leben fort und schien sich darin zu gefallen, das Mißvergnügen seines Volkes zu erregen. Als der Friede mit dem König von Preußen, für den seine Vorliebe sich täglich mehr in irgend einer Narrheit oder lächerlichen Nachahmung aussprach, geschlossen war, kannte sein Entzücken keine Grenzen. Und damit nichts an der Feier dieses herrlichen Ereignisses fehle, gab er ein großes Fest, zu welchem der ganze Adel und die auswärtigen Gesandten gebeten waren. Die Kaiserin nahm ihren gewöhnlichen Platz in der Mitte der Tafel ein und Seine Majestät setzte sich ihr gegenüber, dicht zu dem preußischen Gesandten. Nach Tisch schlug der Kaiser drei Gesundheiten vor, die unter dem Donner der Kanonen von der Festung her getrunken werden sollten. Die erste war: Auf die Gesundheit der kaiserlichen Familie; die zweite: Auf die des Königs von Preußen; die dritte: Auf die Dauer des glücklich geschlossenen Friedens. Als die Kaiserin die Gesundheit der kaiserlichen Familie ausgebracht hatte, schickte Peter seinen Generaladjutanten Gudowitsch zu ihr hinüber und ließ sie fragen, warum sie bei diesem Toast nicht aufgestanden sei. Die Kaiserin antwortete: da die kaiserliche Familie nur aus ihrem Gemahl, ihrem Sohn und ihr selbst bestände, hätte sie geglaubt, ihr Aufstehen sei unnötig. Nachdem Gudowitsch die Antwort überbracht, wurde er aufs neue zu ihr geschickt, um ihr zu sagen, sie sei eine Närrin und hätte wissen müssen, daß des Kaisers Oheime, die Herzöge von Holstein, ebenfalls zur kaiserlichen Familie gehören. Da Peter aber fürchtete, der Adjutant werde den Ausdruck mildern, schrie er ihn selbst laut über den Tisch, so daß ihn die ganze Gesellschaft hören konnte. Ihre Majestät war verwirrt und überwältigt von der beleidigenden Unschicklichkeit eines solchen Angriffs und brach in Tränen aus. Bald aber suchte sie sich zu fassen, und um der allgemeinen Bestürzung ein Ende zu machen, wandte sie sich zu meinem Vetter, dem Grafen Stroganoff, ihrem diensttuenden Kammerherrn, den sie bat, irgend einen Scherz zu erzählen, um ihre Gedanken von dem Vorgefallenen abzuziehen. Der Graf, ein sehr geistreicher Mann mit viel Humor, unterdrückte seine eigene Indignation und sprach so unbefangen als möglich über irgend einen Gegenstand, der geeignet war, die Kaiserin aufzuheitern. Aber er dachte dabei nicht an seine Feinde, die er selbst in der Umgebung des Kaisers hatte, und worunter sogar seine eigene Frau sich befand, die alle nicht verfehlen würden, diesen der Kaiserin geleisteten Dienst als eine Beleidigung Seiner Majestät anzusehen. Sobald denn auch das Fest vorüber war, erhielt Stroganoff den Befehl, sich auf sein Gut bei Kamennoi Ostroff zu begeben und es nicht früher zu verlassen, bis ihm die Erlaubnis dazu erteilt werden würde.
Die Begebenheiten jenes Tages machten großes Aufsehen in ganz Petersburg; und während die Kaiserin ein Gegenstand wachsender Teilnahme und Zuneigung für das Volk wurde, und, wie es nicht anders sein konnte, durch den Kontrast an Ansehen wuchs, sank der Kaiser immer tiefer in der allgemeinen Achtung. –
Seit mein Gemahl nach Konstantinopel abgereist war, scheute ich nichts, um die Prinzipien und Meinungen, welche der Sache, der ich mich gewidmet hatte, dienlich waren, zu verbreiten, anzufeuern und zu bekräftigen. Meine nächsten Vertrauten waren einige Freunde und Kameraden des Fürsten Daschkoff, namens Passik und Bredichin, beides Hauptleute im Regiment Preobraschenski, und der Major Rasloffleff, sowie dessen Bruder, ein Hauptmann vom Regiment Ismailoff. Die zwei letzteren sah ich nur selten bis zum Monat April, wo ich es für nötig fand, mich der Ansichten der Soldaten zu vergewissern. Um indes jeden Verdacht von mir zu entfernen, setzte ich mein gewohntes Leben fort, besuchte gelegentlich meine Verwandten und Freunde und war dem Anschein nach so sehr mit für mein Alter und Geschlecht passenden Ideen beschäftigt, daß niemand erraten konnte, wie vollkommen ich in Pläne versunken war, bei denen es sich um das Geschick des Kaiserreichs handelte.
Sobald meine Ansichten über die Mittel einer wohlorganisierten Verschwörung
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