Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Kanzler Woronzow, um mich wegen meines Weggangs aus Peterhof zu schelten. Meine Antwort war, man solle ihn in die Kirche führen, um mir ebenfalls den Eid zu leisten. Darauf kamen der Fürst Trubetzkoi und der Graf Alexander Schuwaloff, gleichfalls aus Peterhof, um sich der Regimenter zu versichern und mich zu ermorden. Aber auch sie leisteten, ohne daß man Gewalt brauchen mußte, den Eid.
Nachdem unsere Kuriere abgefertigt und alle Vorsichtsmaßregeln getroffen waren, zog ich gegen 10 Uhr abends die Uniform der Garden an, und man proklamierte mich mit unbeschreiblichem Enthusiasmus zum Obersten. Ich bestieg ein Pferd und ließ nur wenige Soldaten von jedem Regiment zum Schutze für meinen Sohn zurück, der in Petersburg blieb.
So zog ich an der Spitze der Truppen nach Peterhof. Wir marschierten die ganze Nacht. Am kleinen Kloster angelangt, brachte mir der Vizekanzler Galitzin einen sehr ergebenen Brief Peters III. Aber ich vergaß zu erwähnen, daß, als ich die Stadt verließ, drei von Peterhof abgeschickte Soldaten, die im Volke ein Manifest verbreiten sollten, mir dieses gaben und sagten: »Da sieh, womit uns Peter III. beauftragt hat; wir geben es Dir und sind sehr froh, die Gelegenheit zu haben, uns unsern Brüdern anzuschließen.« Nach diesem ersten Briefe Peters III. kam ein zweiter an, den der General Michael Ismailoff brachte. Ismailoff warf sich mir zu Füßen und sagte: »Halten Sie mich für einen Ehrenmann?« – »Ja,« antwortete ich. – »Gut,« sagte er, »es ist ein Glück, mit vernünftigen Menschen zusammenzusein. Der Kaiser will verzichten! Ich werde ihn nach seiner Abdankung frei zu Ihnen führen und dadurch mein Vaterland vor dem Bürgerkriege bewahren.« – Ich beauftragte ihn ohne Mühe mit diesem Befehl, und er ging, ihn auszuführen.
Peter III. verzichtete in Oranienbaum in voller Freiheit, umgeben von 1500 Holsteinern, auf die Krone und kam mit Elisabeth Woronzow, Gudowitz und Michael Ismailoff nach Peterhof, wo ich ihm zum Schutze seiner Person fünf Offiziere und einige Soldaten gab. Es war am 29. Juni, am Peterstage mittags. Während man für alle das Mittagsmahl bereitete, bildeten sich die Soldaten mit einem Male ein, der Feldmarschall Trubetzkoi habe Peter III. hergebracht und versuchte nun zwischen uns beiden Frieden zu stiften. Sie hielten alle, dieihren Weg kreuzten, an, unter andern auch den Hetmann, die Orloffs und viele andere, damit sie mir sagen sollten, schon drei Stunden wären vergangen, seit sie mich nicht gesehen; sie stürben vor Angst, daß der alte Schurke Trubetzkoi mich hintergehe, indem er einen Scheinfrieden zwischen meinem Gemahl und mir herbeiführe. Dann wären ich und sie alle verloren. – »Aber,« fügten sie hinzu, »wir zerreißen ihn in Stücke!« das waren ihre eigenen Ausdrücke.
Ich ging daher zu Trubetzkoi, um ihm zu sagen: »Ich bitte Sie, nehmen Sie einen Wagen, während ich zu Fuß die Truppen mustere,« worauf ich ihm erzählte, was sich zugetragen. Er begab sich in großer Angst nach der Stadt, während ich mit einstimmigen Beifallsrufen empfangen wurde. Nun schickte ich den Exkaiser in Begleitung von vier Offizieren und einer Abteilung gemäßigter, vernünftiger Leute unter dem Kommando Alexis Orloffs nach einem siebenundzwanzig Werst von Peterhof entfernt gelegenen, aber sehr angenehmen Ort, Ropscha genannt, während man für ihn in Schlüsselburg bequeme und anständige Zimmer bereitete. Hier hatte er Zeit, seine Pferde zum Wechseln vorauszuschicken. Aber Gott verfügte anders: Die Furcht hatte bei ihm einen Durchfall bewirkt, der drei Tage anhielt; erst am vierten ließ die Kolik nach. An diesem Tage trank er ungeheuer viel, denn er hatte alles was er wollte, nur keine Freiheit. Uebrigens hatte er mich um seine Maitresse, seinen Hund, seinen Neger und seine Violine gebeten. Da ich aber eine Vermehrung der so schon gärenden Stimmung im Volke befürchtete, schickte ich ihm nur die drei letztgenannten Gegenstände. Die Kolik ergriff ihn von neuem und stieg ihm ins Gehirn. Dieser Zustand währte zwei Tage, worauf große Schwäche folgte. Trotz der sofortigen ärztlichen Hilfe gab er alsbald den Geist auf, nachdem er nach einem evangelischen Geistlichen verlangt hatte.
Ich befürchtete, die Offiziere hätten ihn vergiftet, so sehr haßte man ihn, und ließ ihn daher öffnen. Aber man fand nicht die geringste Spur von Gift in seinem Körper. Er hatte einen sehr gesunden Magen, allein eine Entzündung in den Därmen. Ein Schlag hatte
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