Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
brachte man ihn sogleich dahin. Alexis Orloff, Kapitän Passik, Fürst Theodor Bariatinski und der Leutnant Baskakoff, denen die Kaiserin die Sorge für die Sicherheit seiner Person anvertraut hatte, begleiteten den Kaiser.
Ich selbst sah ihn bei der Katastrophe nicht, obgleich ich Gelegenheit dazu gehabt hätte. Die meisten aber, die ihn sahen, versicherten, daß er wenig von diesem Wechsel des Glückes ergriffen schien. Ehe er Peterhof verließ, schrieb er zwei oder drei kurze Briefe an die Kaiserin. In einem, den ich zu Gesicht bekam, erklärte er förmlich seine Abdankung, und nachdem er mehrere Personen genannt hatte, deren Begleitunger wünschte, sprach er davon, wie seine Tafel versorgt werden solle, wobei er nicht vergaß, sich gehörige Vorräte an Burgunder, Pfeifen und Tabak auszubitten.
Aber genug von diesem unglücklichen Prinzen, den die Natur für die niedrigsten Stufen des Lebens gebildet hatte, und den das Schicksal unglücklicherweise auf einen Thron erhob. Obgleich nicht gerade lasterhaft, hätten doch seine Schwächen, sein Mangel an Erziehung und seine angeborene Neigung zu allem Gemeinen und Niedrigen, wenn er weiter regiert hätte, in ihren Folgen für sein Volk nicht weniger verderblich sein können, als entschiedene Laster.
Am folgenden Tage nach der Proklamation Katharinas erhielt Panin den Grafentitel mit einer Pension von 5000 Rubel; Prinz Wolkonski und Graf Razumowski erhielten dieselbe Pension, die übrigen Verschwörer erster Klasse ein jeder 600 Bauern und 2000 Rubel Pension, oder, anstatt der Bauern, 24 000 Rubel. Zu meinem größten Erstaunen fand ich auch meinen Namen mit auf der Liste. Ich war fest entschlossen, von der Gabe keinen Gebrauch zu machen, doch diese Uneigennützigkeit brachte mir die Vorwürfe aller derer ein, die bei der Thronumwälzung beteiligt gewesen waren. Endlich, um dem allgemeinen Geschwätz ein Ende zu machen und die Kaiserin nicht zu beleidigen, willigte ich in einen Vergleich. Ich besaß ein Verzeichnis der Schulden meines Gemahls, die sich beinahe auf 24 000 Rubel beliefen, und stellte daher seinen Gläubigern eine Vollmacht aus, diese Summe aus dem Kabinett Ihrer Majestät zu entheben.
Am vierten Tag nach der Revolution verlangte Herr Betskoi eine Audienz, die ihm auch gewährt ward. Zufällig war ich mit Ihrer Majestät ganz allein im Zimmer, als er eintrat. Er warf sich zu unserm großen Erstaunen auf die Knie und beschwor die Kaiserin, doch zu gestehen, wessenEinfluß sie ihre Thronbesteigung verdanke. – »Dem allmächtigen Gott,« erwiderte sie, »und der Wahl meiner Untertanen.« – »Dann,« rief er verzweifelt aus, »darf ich auch nicht länger dieses Ehrenzeichen tragen,« und dabei wollte er sich das Band des St. Alexanderordens abreißen. Aber die Kaiserin hielt ihn davon ab und fragte, was er denn eigentlich meine.
»Ich bin der unglücklichste Mensch auf der Welt,« sagte er, »wenn Eure Majestät nicht in mir die einzige Person anerkennt, der Sie Ihre Krone verdanken. Habe ich nicht die Garden dazu angereizt? Habe ich nicht Geld unters Volk verteilt?«
Wir glaubten beide, er sei verrückt geworden, und fingen schon an, uns über seinen Zustand zu beunruhigen, als die Kaiserin mit ihrer gewöhnlichen Gewandtheit ein Mittel ersann, um uns seiner auf kluge Weise zu entledigen, zugleich aber auch seine Eitelkeit aufs höchste zu befriedigen. – »Ich erkenne,« unterbrach sie ihn im vollen Ernst, »die ganze Ausdehnung meiner Verpflichtungen; und da ich Ihren Bemühungen meine Krone verdanke, wem anders, als Ihnen, sollte ich die Sorge für die Verfertigung derjenigen anvertrauen, die ich zu meiner Krönung tragen werde? Ihnen also vertraue ich diesen Gegenstand und stelle alle Juweliere meines Reichs unter Ihre Oberaufsicht.«
Betskoi erhob sich überaus entzückt und eilte nach tausend Danksagungen hinaus, wahrscheinlich um sofort die Nachricht zu verbreiten, daß er eine seines Verdienstes würdige Belohnung erhalten habe. Es ist wohl unnötig, hinzuzufügen, wie herzlich wir über diesen Vorfall lachten, der ebenso charakteristisch für die Gewandtheit und Klugheit der Kaiserin war, als für Betskois Einfältigkeit. –
Aber inmitten der Betrachtungen, welche diese interessanten Begebenheiten anregten, wurden meine Gedanken plötzlich von einer furchtbaren Gewißheit in Anspruch genommen, die mich mit Bestürzung und Schrecken erfüllte: das tragische Ende Peters III. Ich war so empört über diese Nachricht, so wütend über
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