Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
einen solchen Ausgang dieser glorreichen Revolution, daß ich, obwohl ich den Gedanken einer Mitschuld der Kaiserin an diesem Verbrechen, das Alexis Orloff begangen, weit von mir wies, mich doch nicht entschließen konnte, den Palast früher zu betreten, als den folgenden Tag. Ich fand die Kaiserin mit sehr verstörter Miene, offenbar in großer Gemütsbewegung. Sie empfing mich mit folgenden Worten: »Mein Abscheu bei diesem Tode ist unaussprechlich; es ist ein Schlag, der mich zu Boden wirft.« – »Es ist ein zu rascher Tod für Ihren und meinen Ruhm, Madame,« erwiderte ich.
Der Gedanke an dieses Verbrechen kam mir nicht aus dem Sinn, und ich war unvorsichtig genug, im Laufe des Abends im Vorzimmer vor vielen Leuten zu sagen, ich hoffte, Alexis Orloff würde jetzt mehr als je fühlen, daß wir nicht geschaffen wären, dieselbe Luft zu atmen, und ich sei stolz genug, zu glauben, er werde mich in Zukunft nicht einmal mehr als Bekannte anreden. Von diesem Tage an wurden alle Orloffs meine unversöhnlichen Feinde. Aber ich muß Alexis die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er trotz seiner angeborenen Unverschämtheit zwanzig Jahre hindurch niemals mehr ein Wort an mich zu richten wagte.
Wer aber boshaft genug sein kann, die Kaiserin der Teilnahme oder auch nur der Mitwisserschaft an der Ermordung ihres Gemahls zu beschuldigen, wird einen absoluten Beweis von der Ungerechtigkeit dieses Verdachtes in einem Briefe finden, der noch existiert. Er ist von Alexis Orloffs Hand wenige Augenblicke nach der Vollstreckung der gräßlichen Tat an sie geschrieben. Der unzusammenhängende Stil zeigt trotz seiner Trunkenheit das Entsetzen und die Wildheit seiner Befürchtungen, während er für die Tat in den demütigsten Ausdrücken um Verzeihung fleht.
Dieser wichtige Brief wurde von Katharina II. mit großer Sorgfalt unter andern wichtigen Papieren in einem Koffer aufbewahrt, den Fürst Bosborodka nach ihrem Tode auf Pauls Befehl untersuchen mußte, um die Papiere, die er enthielt, in seiner Gegenwart zu lesen. Als er die Lektüre des Briefes Alexis Orloffs beendet hatte, machte der Kaiser Paul das Zeichen des Kreuzes und rief: »Gott sei gelobt! die wenigen Zweifel, die ich in dieser Beziehung noch über meine Mutter hatte, sind gelöst.« –
Anhang.
Brief Katharinas II. an Poniatowski.
Peter III. hatte den wenigen Geist, den er besaß, völlig verloren. Er stieß alles um, wollte die Garden abschaffen und war im Begriff, sie zu diesem Zweck aufs Land zu führen, denn er rechnete darauf, sie durch holsteinsche Truppen zu ersetzen, die in der Stadt bleiben sollten. Er wollte die Religion wechseln, sich mit Elisabeth Woronzow verheiraten, mich aber verstoßen und einkerkern.
Am Tage, an dem man den Frieden mit dem Könige von Preußen feierte, hatte er, nachdem er mich öffentlich bei Tafel beleidigt, befohlen, mich abends verhaften zu lassen. Aber mein Onkel, der Prinz Georg, ließ diesen Befehl widerrufen. Erst von jenem Tage an lieh ich den Vorschlägen, die man mir seit dem Tode der Kaiserin Elisabeth täglich machte, ein Ohr. Man beabsichtigte, ihn (Peter III.) in seinem Zimmer gefangen zu nehmen und, wie einst die Fürstin Anna und ihre Kinder, einzusperren. Wir begaben uns nach Oranienbaum, wohin uns eine große Anzahl Gardekapitäne folgte.
Der Ausgang der Verschwörung lag in den Händen der drei Brüder Orloff. Osten erinnert sich noch, daß der ältere mir überall hin folgte und tausend Torheiten für mich beging. Seine Leidenschaft für mich war bekannt und er selbst tat alles, um sie an die Oeffentlichkeit zu bringen. Es sind außerordentlich entschlossene Männer, die Orloffs, und bei den gemeinen Soldaten sehr beliebt, da sie in den Garden gedient haben. Ich bin ihnen zum größten Dank verpflichtet und ganz Petersburg ist Zeuge davon.
Die Garden waren auf alles vorbereitet, und schließlich wußten mehr als dreißig Offiziere und 10 000 Mann um das Geheimnis. Unter diesen zeigte sich drei Wochen lang nicht ein einziger Verräter. Es waren drei vollkommen getrennte Parteien, deren Anführer zur Ausführung vereinigt wurden. Das Hauptgeheimnis aber lag in den Händen der drei Brüder (Orloff).
Panin wünschte, daß es (die Abdankung Peters) zugunsten meines Sohnes geschehe, aber sie wollten es nicht zugeben. Während ich in Peterhof war, lebte und zechte Peter III. in Oranienbaum. Man war übereingekommen, daß man im Falle eines Verrats seine Rückkehr von dort nicht abwarten wollte, sondern die
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