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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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vernommen, tödlich erschrocken wäre, seinem Pferde die Sporen gegeben und jenen auf den Knien im Walde liegen gelassen habe, und die Jäger, welche ihm voran ritten, hätten nicht gehört, was Baturin gesprochen. Eine andere Berührung, behauptete er, habe mit diesem Menschen nicht stattgefunden, ja er habe sogar seinen Jägern geraten, sich zu hüten, daß sie Baturin nicht ins Unglück stürze. Seine gegenwärtige Besorgnis galt hauptsächlich der Tatsache, daß, einer Mitteilung der Jäger zufolge, Baturin verhaftet und nach Preobraschenskoje gebracht worden war, wo sich die geheime Kanzlei befand, welche die Staatsverbrechen untersuchte. Seine kaiserliche Hoheit zitterte nun nicht allein für die Jäger, sondern fürchtete, selbst kompromittiert zu werden. Was die ersteren betraf, so erfüllten sich seine Befürchtungen nur zu bald, denn nach einigen Tagen erfuhr er, daß sie verhaftet und ebenfalls nach Preobraschenskoje gebracht worden seien. Ich suchte seine Angst ein wenig zu mindern und stellte ihm vor, daß, wenn er wirklich keine andere als die erwähnte Unterredung gehabt, es mir höchstens als eine Unklugheit seinerseits erscheine, sich mit schlechter Gesellschaft abgegeben zu haben. Ob er mir indes wirklich die volle Wahrheit gesagt, weiß ich nicht, doch habe ich Grund, zu glauben, daß er die etwa stattgefundenen Unterredungen als zu unwichtig schilderte, denn er sprach mit mir über diese Angelegenheiten nur in abgebrochenen Sätzen und gleichsam wider Willen. Es konnte aber vielleicht auch seine übermäßige Furcht sein, welcheeine solche Wirkung auf ihn hervorbrachte. Bald darauf teilte er mir mit, mehrere der Jäger seien wieder in Freiheit gesetzt worden, jedoch mit dem Befehl, über die Grenze gebracht zu werden, und hätten ihm sagen lassen, sein Name sei nicht genannt, worüber er vor Freude außer sich war. Er beruhigte sich nun vollkommen und man berührte die Sache nicht weiter. Was Baturin betrifft, so wurde er schuldig befunden. Ich habe weder etwas von seinem Prozeß gelesen, noch gesehen, nur brachte ich in Erfahrung, daß er nichts weniger beabsichtigte, als die Kaiserin zu töten, den Palast anzuzünden und während der dadurch hervorgerufenen Panik und allgemeinen Verwirrung den Großfürsten auf den Thron zu setzen. Er wurde, nachdem man ihn gefoltert hatte, verurteilt, den Rest seiner Tage in der Festung Schlüsselburg zu verbringen. Während meiner Regierung versuchte er zu entkommen, worauf er nach Kamtschatka verbannt wurde. Von dort entfloh er mit Benjowski und fand seinen Tod, als er unterwegs die Insel Formosa im Stillen Ozean plünderte.
    Am 15. Dezember begaben wir uns von Moskau nach Petersburg. Wir reisten Tag und Nacht im offenen Schlitten, sodaß ich auf der Hälfte des Wegs wieder von heftigen Zahnschmerzen geplagt wurde. Trotzdem gab der Großfürst nicht zu, den Schlitten zu schließen. Nur widerwillig erlaubte er mir, den Vorhang ein wenig zuzuziehen, um mich wenigstens vor dem feuchtkalten Winde, der uns entgegenwehte, zu schützen. Endlich erreichten wir Zarskoje Selo, wo die Kaiserin, die wie gewöhnlich uns vorauseilte, schon eingetroffen war. Gleich nachdem ich ausgestiegen, zog ich mich in die für mich bestimmten Gemächer zurück, schickte nach dem Arzt Ihrer Majestät, Boerhave – dem Neffen des berühmten Mediziners – und bat ihn, mir den Zahn, der mich seit vier oder fünf Monaten quälte, ausziehen zu lassen. Nur mitMühe konnte ich seine Einwilligung dazu erlangen, da er mich aber fest entschlossen sah, ließ er endlich meinen Chirurgen Gyon holen. Ich setzte mich auf die Erde, Boerhave auf die eine, Tschoglokoff auf die andere Seite, und Gyon zog mir den Zahn. Aber kaum hatte er angesetzt, als mir aus dem Munde Ströme von Blut stürzten; meine Augen tränten und in der Nase lief mir das Wasser zusammen, so daß Boerhave entrüstet ausrief: »Der Tölpel!« und sich den Zahn geben ließ. – »Das war es, was ich befürchtete, und weshalb ich nicht wollte, daß er ausgezogen würde!« rief er von neuem. Gyon hatte ein Stück Kinnbacke mit ausgerissen. Während dieses Vorfalls war die Kaiserin an die Türe meines Zimmers gekommen, und man sagte mir später, daß sie bis zu Tränen gerührt gewesen sei. Man brachte mich zu Bett, und mehr als vier Wochen war ich leidend, auch in der Stadt, wohin wir, trotz meines Zustandes, am nächsten Morgen im offenen Schlitten aufbrachen. Da die fünf Finger Gyons in blauen und gelben Flecken auf meiner Wange

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