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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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eine entschiedene Neigung für die Prinzessin von Kurland. Er wich nicht von ihrer Seite, sprach nur mit ihr, kurz, die Intrige entwickelte sich offen vor meinen Augen und aller Welt, was meine Eitelkeit und Eigenliebe aufs höchste beleidigte, wenn ich bedachte, daß diese kleine Mißgestalt mir vorgezogen wurde. Eines Abends, als ich von Tische aufstand, sagte Madame Wladislawa zu mir, alle seien über die Bevorzugung der Buckligen entrüstet, worauf ich erwiderte: »Was tun?« Dabei traten mir aber auch schon die Tränen in die Augen und ich entfernte mich schnell, um schlafen zu gehen. Kaum war ich eingeschlafen, als der Großfürst kam. Da er betrunken war und nicht wußte, was er tat, weckte er mich, um mich von den ausgezeichneten Eigenschaften seiner Schönen zu unterhalten. Um ihn wenigstens zum Schweigen zu bringen, stellte ich mich, als ob ich fest schliefe. Er aber sprach nur noch lauter, um mich zu wecken, und als er sah, daß ich kein Zeichen des Wachseins gab, versetzte er mir zwei oder drei heftige Püffe mit der Faust in die Seite und schimpfte über meinen tiefen Schlaf. Dann wandte er sich um und schlief ein. Ich weinte die ganze Nacht über den Vorgang an sich, die Faustschläge, die er mir gegeben, überhaupt über meine in jeder Beziehung ebenso unangenehme als traurigeLage. Am folgenden Morgen schien er sich seines Benehmens ein wenig zu schämen, wenigstens sprach er nicht davon, und ich tat, als hätte ich nichts gemerkt. Zwei Tage später kehrten wir in die Stadt zurück, begannen in der letzten Fastenwoche unsere religiösen Uebungen von neuem, aber es war nicht mehr die Rede davon, daß der Großfürst ein Bad nehmen sollte.
    Dafür begegnete ihm in dieser Woche etwas anderes, was ihm einige Verlegenheit bereitete. Er hatte sich nämlich in seinem Zimmer, wo er sich den ganzen Tag über auf die eine oder andere Weise umhertrieb, eines Nachmittags damit beschäftigt, mit einer großen Kutscherpeitsche, die er sich extra dazu hatte machen lassen, zu knallen, schlug damit rechts und links um sich und trieb seine Kammerdiener, die seinen Schlägen zu entgehen suchten, von einer Ecke zur andern. Wie es nun kam, daß er sich selbst einen heftigen Schlag auf die Backe gab, ist mir nicht bekannt, kurz, die Schramme ging über die ganze linke Seite seines Gesichtes und war bis aufs Blut sichtbar. Da er befürchtete, er werde Ostern nicht ausgehen können, und die Kaiserin werde ihm wegen seiner blutigen Wange wiederum die religiösen Uebungen untersagen, war er in großer Verlegenheit. Wenn sie außerdem die Ursache erführe, konnten ihm seine Uebungen mit der Peitsche einen unangenehmen Verweis zuziehen. In seiner bedrängten Lage hatte er daher nichts Eiligeres zu tun, als mich um Rat zu fragen, was er in ähnlichen Fällen nie unterließ. Ich sah ihn also mit der blutigen Backe eintreten und rief, als ich die Schramme bemerkte: »Mein Gott! was ist Ihnen begegnet?« Er erzählte mir dann, was vorgefallen war. Nachdem ich einen Augenblick überlegt, sagte ich: »Vielleicht gelingt es mir, Ihnen zu helfen. Zuerst gehen Sie in Ihr Zimmer und richten alles so ein, daß man Ihre Wange so wenig wie möglich sieht.Wenn ich das Nötige habe, will ich zu Ihnen kommen, und ich hoffe, daß niemand etwas bemerken wird.« Er entfernte sich, und ich schickte nach einer Salbe, die mir mein Arzt Gyon vor einigen Jahren einmal verschrieben hatte, als ich mir bei einem Fall im Garten von Peterhof die Backe verletzte. Diese Salbe enthielt eine Mischung von Bleiweiß, und nachdem ich die verletzte Stelle damit bedeckt, ging ich nach wie vor aus, ohne daß irgend jemand die Verletzung bemerkte. Man brachte mir also die Salbe, ich begab mich zum Großfürsten und legte sie so geschickt auf, daß er selbst, als er sich im Spiegel betrachtete, nichts davon sah. Am darauffolgenden Donnerstag gingen wir mit der Kaiserin in der großen Hofkirche zum Abendmahl und kehrten nach der Kommunion auf unsere Plätze zurück. Als Tschoglokoff, der sich uns näherte, um uns irgend etwas mitzuteilen, den Großfürsten, der mit seiner Wange gerade im Licht saß, anblickte, sagte er: »Wischen Sie sich doch Ihre Wange ab, Sie haben Pomade darauf.« Schnell aber wandte ich mich wie scherzend zum Großfürsten und rief: »Aber ich, Ihre Frau, verbiete es Ihnen, sie abzuwischen.« Darauf sagte der Großfürst zu Tschoglokoff: »Da sehen Sie, wie uns die Frauen behandeln; wir wagen nicht einmal uns abzuwischen, wenn sie es nicht wollen.«

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