Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Großfürsten zerstreuen konnte, kam er auf den Einfall, in seinen Zimmern einen Ball zu veranstalten, an welchem jedoch nur er, zwei seiner Kammerdiener und zwei Frauen meiner Begleitung, von denen die eine eine hohe Fünfzigerin war, teilnahmen.
Von Troitza begab sich Ihre Majestät nach Taininskoje, wir indes kehrten nach Rajowa zurück und setzten dort unser früheres Leben fort. Hier blieben wir bis Mitte August, um welche Zeit die Kaiserin eine Reise nach Sophino, einem sechzig bis siebzig Werst von Moskau gelegenen Orte, unternahm. Wir übernachteten in Sophino und begaben uns am nächsten Tag in das Zelt der Kaiserin, wo wir sie damit beschäftigt fanden, den Verwalter des Gutes auszuschelten. Sie war nämlich gekommen, um auf die Jagd zu gehen und hatte keine Hasen vorgefunden. Der arme Mensch war ganz bleich und zitterte vor Angst, während sie ihn mit Schmähreden aller Art überhäufte; sie schien in der Tat außer sich vor Wut zu sein. Als sie uns zum Handkuß kommen sah, umarmte sie uns wie gewöhnlich und setzte dann ihr Schelten fort. In ihrem Zorn schleuderte sie ihre Pfeile nach allen Seiten. Sie sprang von einem aufs andere, und ihre Zungenfertigkeit war großartig. Unter anderm bemerkte sie auch, sie verstehe sich vollkommen auf die Verwaltung von Gütern, die Regierung der Kaiserin Anna habe sie genügend darüber belehrt. Als sie wenig gehabt, fuhr sie fort, habe sie sich gehütet, viel auszugeben, denn sie hätte sich gefürchtet, sich durch Schulden ins Verderben zu stürzen; wäre sie aber mit Schulden gestorben, so würde sie niemand bezahlt haben, ihre Seele würde zur Hölle gefahren sein, was sie nicht wolle. So trage sie auch jetzt, wo sie es nicht nötig habe, zu Hause sehr einfache Kleider, oben aus weißem Taffet, unten aus schwarzem Tuch; auf diese Weise spare sie viel, aber noch mehr hüte sie sich, auf dem Lande oder gar auf der Reise kostbare Stoffe zu tragen. Das sollte auf mich gehen, denn ich trug ein mit Silber gesticktes lila Seidenkleid – und ließ es mir gesagt sein. Diese Vorlesung – denn eine solche war es, da niemand, wenn sie vor Zorn glühte, ein Wort sprach – dauerte wenigstens dreiviertelStunden. Endlich brachte ein Hofnarr namens Aksakoff die Kaiserin zum Schluß. Er trat mit einem kleinen Stachelschwein herein, welches er ihr in seinem Hute darreichte. Sie näherte sich ihm, um es zu betrachten, stieß aber, sowie sie es gesehen, einen lauten Schrei aus, erklärte, es gleiche einer Maus und entfloh spornstreichs in ihr Zelt, denn sie hatte die größte Furcht vor Mäusen. Wir sahen sie darauf nicht mehr und sie dinierte allein. Am Nachmittag ging sie auf die Jagd, nahm den Großfürsten mit und befahl mir, mit Madame Tschoglokoff nach Moskau zurückzukehren. Da die Jagd aber wegen des starken Windes von kurzer Dauer gewesen war, folgte uns der Großfürst schon in einigen Stunden.
Eines Sonntags, als wir schon wieder nach Rajowa zurückgekehrt waren, ließ uns die Kaiserin nach Taininskoje kommen, wo wir die Ehre hatten, an der Tafel Ihrer Majestät zu speisen. Sie saß allein am Ende der sehr langen und schmalen Tafel, der Großfürst zu ihrer Rechten, ich ihm gegenüber zu ihrer Linken; neben dem Großfürsten der Marschall Buturlin, an meiner linken Seite die Gräfin Schuwaloff. Bei dieser Gelegenheit betrank sich der Großfürst unter dem Beistande Buturlins, der ebenfalls kein Verächter des Trunkes war, auf eine Weise, die jegliches Maß überschritt, so daß er nicht mehr wußte, was er sagte noch tat, abgerissene Worte stammelte, kurz so peinlich auffiel, daß mir die Tränen in die Augen traten, mir, die ich damals, so viel in meinen Kräften stand, alles Verwerfliche an ihm zu verhüllen und zu verbergen suchte. Die Kaiserin nahm mein schmerzliches Empfinden gut auf und erhob sich früher von der Tafel als gewöhnlich.
Am Nachmittag hatte Seine kaiserliche Hoheit mit Graf Razumowski auf die Jagd gehen sollen, blieb jedoch in Taininskoje, während ich nach Rajowa zurückkehrte. Unterwegs aber befiel mich plötzlich ein heftiges Zahnweh. Das Wetterbegann kalt und feucht zu werden, und in Rajowa gab es nichts als das nackte Oberdach. Doch der Bruder Madame Tschoglokoffs, Graf Hendrikoff, welcher diensttuender Kammerherr bei mir war, machte seiner Schwester den Vorschlag, mich augenblicklich zu kurieren. Sie sprach mit mir darüber und ich willigte ein, sein Mittel zu versuchen, an dem nichts zu sein schien, das im Gegenteil viel mehr den Anschein
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