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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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sichtbar waren, verließ ich mein Zimmer nicht vor Mitte Januar 1750.
    Am Neujahrstage, als ich mich frisieren lassen wollte, sah ich, daß der Friseurgehilfe, ein Kalmücke, den ich hatte erziehen lassen, auffallend rot im Gesicht war, während seine Augen sonderbar glänzten. Ich fragte ihn, was ihm fehle, worauf er mir erwiderte, er leide an heftigem Kopfweh und Fieberhitze. Sofort schickte ich ihn mit der Weisung weg, sich zu Bett zu legen, weil er in der Tat seine Aufgabe nicht mehr erfüllen konnte. Er entfernte sich, und am Abend meldete man mir, daß die Pocken bei ihm ausgebrochen seien. Mich ergriff natürlich sofort eine schreckliche Angst, ebenfalls die furchtbare Krankheit zu bekommen, allein ich wurde verschont, obgleich er mein Haar gekämmt hatte.
    Die Kaiserin blieb während des größten Teils des Karnevalsin Zarskoje Selo. Petersburg war wie ausgestorben; die meisten, die sich dort aufhielten, fesselte nur die Pflicht, niemand blieb aus Neigung. Denn wenn der Hof von Moskau nach Petersburg zurückkehrte, beeilten sich alle Hofleute, um ein Jahr, um sechs Monate, oder wenigstens um einige Wochen Urlaub nachzusuchen, nur um noch ein wenig in Moskau bleiben zu können. Beamte, Senatoren taten dasselbe, und wenn sie fürchteten, keine Erlaubnis zu erhalten, dann gab es Krankheiten, erdichtete oder wirkliche, von Männern, Frauen, Vätern, Brüdern, Müttern, Schwestern, Kindern, oder Prozesse, oder sonstige notwendig zu ordnende Angelegenheiten. Kurz, sechs Monate und zuweilen mehr vergingen, ehe Hof und Stadt wieder wurden, was sie vor der Abreise des Hofes gewesen waren. Während seiner Abwesenheit wuchs das Gras in den Straßen von Petersburg, weil fast kein einziger Wagen darüber hinfuhr. Bei diesem Stande der Dinge konnte man also nicht auf viele Gesellschaft hoffen, besonders wir nicht, weil man uns nur wenig auszugehen gestattete. Während dieser Zeit sann Tschoglokoff darauf, wie er uns am besten unterhalten könnte. Oder besser, da er selbst und seine Frau nicht wußten, was vor Langeweile anfangen, lud er den Großfürsten und mich ein, alle Nachmittage in den Gemächern, welche er am Hofe bewohnte, und die aus vier oder fünf ziemlich kleinen Zimmern bestanden, mit ihnen zu spielen. Außer uns waren noch die Hofkavaliere und Hofdamen, sowie die Prinzessin von Kurland, die Tochter Herzogs Ernst Johann Biron, des ehemaligen Favoriten der Kaiserin Anna, anwesend. Die Kaiserin Elisabeth hatte den Herzog aus Sibirien zurückgerufen, wohin er unter der Regentschaft der Prinzessin Anna verbannt worden war, und nun lebte er mit seiner Frau, seinen Söhnen und seiner Tochter in Jaroslaw. Diese Tochter war weder schön, noch hübsch, noch wohlgebaut, sie war im Gegenteilbucklig und klein. Aber sie hatte schöne Augen, viel Geist und außerordentliche Anlagen zur Intrige. Ihre Eltern liebten sie nicht, und sie behauptete, daß sie sie fortwährend mißhandelten. Eines schönen Tages lief sie denn auch aus dem elterlichen Hause fort und entfloh zu der Gemahlin des Woiwoden von Jaroslaw, Madame Puschkin. Diese, hocherfreut, sich bei Hofe wichtig machen zu können, brachte sie nach Moskau. Sie wandte sich an Madame Schuwaloff, und die Flucht der Prinzessin von Kurland aus ihrem väterlichen Hause wurde als eine Folge der schlechten Behandlung von seiten ihrer Eltern hingestellt, weil sie das Verlangen geäußert, zur griechischen Religion überzutreten. Wirklich war das erste, was sie bei Hofe tat, die Ablegung ihres Glaubensbekenntnisses, wobei die Kaiserin Taufpate war. Darauf wies man der Prinzessin eine Wohnung bei den Ehrendamen an. Tschoglokoff bemühte sich eifrig, ihr Aufmerksamkeiten zu erweisen, weil ihr älterer Bruder sein Glück begründet hatte, indem er ihn aus dem Kadettenkorps, wo Tschoglokoff erzogen wurde, in die Garde zu Pferd versetzte und ihn als Ordonnanz behielt. Anfangs benahm sich die Prinzessin von Kurland, die auf diese Weise mit uns in Berührung kam und jeden Tag mehrere Stunden mit dem Großfürsten, Tschoglokoff und mir Trisett spielte, mit der größten Zurückhaltung. Sie hatte ein sehr einnehmendes Wesen und ihr Geist ließ ihr unangenehmes Aeußere vergessen, besonders wenn sie saß. Für jeden hatte sie einige Worte übrig, die ihm gefallen mußten; alle betrachteten sie als eine interessante Waise, übrigens aber als eine Person ohne Einfluß. In den Augen des Großfürsten aber besaß sie ein anderes, nicht weniger großes Verdienst: sie war eine fremde Prinzessin,

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