Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Aufenthalt in Oranienbaum. – Die Kaiserin lädt uns nach Kronstadt ein. – Ihre Besorgnis um uns. – Rückkehr nach Oranienbaum. – Die Malerswitwe. – Abbruch der Unterhandlungen mit Dänemark. – Soltikoff läßt in seinem Benehmen gegen mich nach. – Anzeichen von Schwangerschaft.
So endete das Jahr 1751 und das folgende begann. Am Schlusse des Karnevals reiste Graf Czernitscheff zu seinem Regimente zurück. Einige Tage vor seiner Abreise – es war an einem Sonnabend – mußte mir zur Ader gelassen werden. Am Mittwoch darauf lud Tschoglokoff uns nach seiner an der Newamündung gelegenen Insel ein, wo er ein Haus mit einem Saal in der Mitte und mehreren Zimmern an beiden Seiten besaß. Neben diesem Hause hatte er verschiedene Rutschbahnen einrichten lassen. Bei meiner Ankunft fand ich den Grafen Woronzow dort, der, als er mich sah, ausrief: »Ah! ich werde Sie fahren; ich habe nämlich einen prächtigen kleinen Schlitten für die Rutschbahn machen lassen.« Da er mich schon oft vorher gefahren hatte, nahm ich sein Anerbieten freudig an, und er ließ sogleich seinen Schlitten bringen. Darin befand sich ein kleiner Sessel, auf den ich mich setzte, während er sich hintenauf stellte; so glitten wir hinab. Allein in der Mitte des Abhanges war Graf Woronzow nicht mehr Herr des kleinen Fahrzeugs, der Schlitten stürzte um, ich fiel heraus, und Graf Woronzow mit seinem sehr schweren und ungeschickten Körper auf mich oder vielmehr auf meinen linken Arm, an welchem mir vor vier Tagen zur Ader gelassen worden war. Wir erhoben uns und begaben uns zu Fuß nach einem Hofschlitten, welcher auf dieNiedergleitenden wartete, um sie wieder nach dem Abfahrtspunkte zurückzubringen. Als ich aber mit der Fürstin Gagarin, die mir mit Graf Iwan Czernitscheff gefolgt war, in diesem Schlitten saß, während dieser und Woronzow hintenauf standen, fühlte ich in meinem linken Arm eine brennende Hitze, deren Ursache ich mir nicht erklären konnte. Ich faßte sofort mit der rechten Hand in den Aermel meines Pelzes, um zu sehen, was es wäre, und als ich die Hand wieder herauszog, war diese ganz mit Blut bedeckt. Ich sagte den beiden Herren und der Fürstin, mir scheine, meine Ader sei aufgesprungen, denn das Blut fließe heraus. Sofort ließen sie den Schlitten schneller fahren, und statt nach der Rutschbahn begaben wir uns nach Hause. Dort fanden wir niemand als einen Tafeldecker. Ich legte meinen Pelz ab, der Tafeldecker gab uns Essig, und Graf Czernitscheff übernahm das Amt des Chirurgen. Darauf verabredeten wir uns, zu keinem Menschen über dieses Abenteuer zu sprechen, und nachdem mein Arm verbunden war, kehrten wir alle zur Rutschbahn zurück. Den Rest des Abends tanzte ich, soupierte und kam erst sehr spät nach Hause, ohne daß jemand ahnte, was mir begegnet war. Doch schmerzte mich jene Stelle am Arm fast einen Monat lang; allein auch dies verlor sich allmählich.
Während der Fastenzeit hatte ich einen heftigen Zwist mit Madame Tschoglokoff, und zwar aus folgenden Gründen. Meine Mutter lebte seit einiger Zeit in Paris. Der älteste Sohn des Generals Iwan Feodorowitsch Gleboff, welcher eben von dort zurückkehrte, überbrachte mir von ihr zwei Stücke sehr reichen und schönen Stoffes. Als ich sie im Beisein Skurins, der sie in meinem Toilettezimmer ausbreitete, ansah, entfuhr mir die Bemerkung, sie seien so schön, daß ich mich versucht fühlte, sie der Kaiserin anzubieten. Und wirklich wartete ich nur auf einen günstigen Augenblick, um mit Ihrer Majestät,die ich nur sehr selten und noch dazu meist bei öffentlichen Gelegenheiten sah, darüber zu sprechen. Da es ein Geschenk sein sollte, welches ich ihr selbst zu geben mir vorbehielt, erwähnte ich meine Absicht auch mit keinem Worte gegen Madame Tschoglokoff und verbot auch Skurin, jemand wiederzusagen, was mir in seinem Beisein entschlüpft war. Er jedoch hatte nichts Eiligeres zu tun, als es Madame Tschoglokoff schleunigst zu hinterbringen. Einige Tage darauf trat sie eines schönen Morgens zu mir ins Zimmer und sagte, die Kaiserin lasse mir für meine Stoffe danken, sie habe einen davon behalten und den andern schicke sie mir zurück. Ich fiel wie aus den Wolken als ich dies hörte und erwiderte: »Wie soll ich das verstehn?« Madame Tschoglokoff antwortete, da sie gehört, daß ich meine Stoffe für Ihre kaiserliche Majestät bestimmt habe, hätte sie sie gleich der Kaiserin überreicht. Im ersten Augenblick wurde ich so zornig, wie ich mich nicht besinne, je
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