Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
gewesen zu sein. Ich stammelte – kaum vermochte ich zu sprechen – und sagte der Tschoglokoff, ich hätte mir ein besonderes Vergnügen daraus machen wollen, der Kaiserin die Stoffe zu überreichen, und nun beraube sie mich desselben, indem sie meine Stoffe ohne mein Wissen Ihrer kaiserlichen Majestät überbringe. Sie könne doch meine Absichten nicht kennen, da ich nicht mit ihr davon gesprochen, und wenn sie davon wisse, so sei dies nur durch den Mund eines Domestiken, der seine Herrin verrate, die ihn täglich mit Wohlwollen überhäufe. Madame Tschoglokoff, die stets ihre eigenen Gründe hatte, behauptete, da es mir nicht gestattet sei, über irgend etwas selber mit der Kaiserin zu reden, habe sie mir den betreffenden Befehl der Kaiserin kundgetan, und meine Diener seien verpflichtet, alles, was ich sage, ihr zu hinterbringen: jener Mensch also habe nur seine Pflicht erfüllt und sie die ihrige, wenn sie ohne mein Wissen die von mir für dieKaiserin bestimmten Stoffe Ihrer Majestät überbracht habe. Alles sei ganz in der Ordnung. Ich ließ sie reden, weil mich der Zorn stumm machte. Endlich entfernte sie sich. Als sie fort war, begab ich mich in ein kleines Vorzimmer, wo sich gewöhnlich Skurin am Morgen aufhielt und wo sich meine Garderobe befand. Ich gab ihm eine derbe Ohrfeige und sagte, er sei ein Verräter und der undankbarste Mensch, da er Madame Tschoglokoff hinterbracht, wovon ich ihm zu sprechen verboten habe. Während ich ihn mit Wohltaten überhäufe, verrate er selbst meine unschuldigsten Worte; allein von diesem Tage an werde ich nichts mehr für ihn tun, sondern ihn fortjagen und ausprügeln lassen. Was er sich denn von seinem Verhalten verspreche? fragte ich ihn, denn ich bleibe immer was ich sei, während die Tschoglokoffs, gehaßt und verabscheut von allen, wie sie wären, schließlich selbst durch die Kaiserin weggejagt würden, die früher oder später gewiß ihre Dummheit und Unfähigkeit für die Stellung, welche sie nur durch die Intrige eines bösen Menschen erlangt, erkennen werde. Wenn er wolle, könne er ja gehen und wiedererzählen, was ich gesagt; für mich würde dies sicherlich keine Folgen haben, aber was für ihn selbst daraus entstehe, werde er schon sehen. Bitterlich weinend stürzte mein Diener vor mir auf die Knie und bat mich mit aufrichtiger Reue um Verzeihung. Dies rührte mich und ich antwortete, nur sein künftiges Betragen werde mir den Weg weisen, den ich hinsichtlich seiner einzuschlagen habe, und daß meine Handlungen von den seinigen abhingen. Und da er ein intelligenter Bursche war, dem es nicht an Verstand fehlte, so hat er später nie sein Wort gegen mich gebrochen; im Gegenteil, ich erhielt stets Beweise des größten Eifers und der wahrhaftesten Treue von ihm, selbst unter den schwierigsten Umständen. Indes beklagte ich mich so viel ich nur konnte bei jedermann über den Streich, den Madame Tschoglokoffmir gespielt, damit die Sache zu den Ohren der Kaiserin gelange. Diese dankte mir allerdings nur für meine Stoffe, als ich sie sah, aber aus dritter Hand erfuhr ich, daß sie die Art, auf welche die Tschoglokoff verfahren, äußerst mißbilligte; und dabei blieb es.
Nach dem Osterfeste bezogen wir den Sommerpalast. Schon seit einiger Zeit bemerkte ich, daß der Kammerherr Sergius Soltikoff sich häufiger als gewöhnlich bei Hofe sehen ließ. Er kam stets in Begleitung Leon Narischkins, der alle durch seine schon oben geschilderte Originalität ergötzte. Die Fürstin Gagarin, welche ich sehr gern hatte und die sogar meine Vertraute war, konnte Sergius Soltikoff nicht ausstehen, der sich soviel als möglich bei den Tschoglokoffs einzuschmeicheln suchte. Da diese nun weder liebenswürdig, noch geistreich, noch unterhaltend waren, mußten wohl hinter seinen Bemühungen besondere Absichten verborgen liegen, Madame Tschoglokoff war damals gerade guter Hoffnung und daher oft unpäßlich. Da sie aber behauptete, ich unterhalte sie stets so vorzüglich, wünschte sie, mich so oft als möglich bei sich zu sehen. Auch Sergius Soltikoff, Leon Narischkin, die Fürstin Gagarin und noch viele andere besuchten sie gewöhnlich, wenn kein Konzert beim Großfürsten oder kein Theater bei Hofe war. Zu jener Zeit fand Sergius ein eigentümliches Mittel, Tschoglokoff, den die Konzerte des Großfürsten schrecklich langweilten, obgleich er nie verfehlte, dabei zu sein, zu beschäftigen. Ich weiß nicht, auf welche Weise er in dem schwerfälligen, aller Phantasie und alles
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