Erinnerungen der Nacht
hören kann?“
„Nein. Ich fürchte, der Mann hat den Verstand verloren.“
„Mein Sohn, kommen Sie. Stehen Sie auf.“
Er sagte nichts, stand aber auf. Die Sterblichen sollten ihn in Ruhe lassen, auch wenn sie es gut meinten. Er wollte fortgehen und allein sein und an seine kleine Familie denken, während er auf die Dämmerung wartete. Mit schlurfenden Schritten schleppte er sich davon, ging um den Trümmerhaufen herum, der einmal eine Kapelle gewesen war. Umkreiste ihn wie ein Planet die Sonne. Es schien, als würde eine unbekannte Macht ihn anziehen und verhindern, dass er den Orbit verließ. Sein Herz … er hatte sein Herz in diesem Trümmerhaufen verloren. Seine Seele. Sein Kind …
Aber … war es wirklich so ?
Das DPI hatte Amber als ihren wertvollsten Forschungsgegenstand bezeichnet. Hätten sie sie wirklich ausgelöscht?
Nein …
Er stolperte über etwas und sah gereizt nach unten. „Mein Gott“, flüsterte er beim Anblick des Gegenstandes, über den er gestolpert war. „Gütiger Himmel, das ist Angelicas Schuh.“ Er ließ sich auf die Knie sinken, hob ihn so behutsam auf wie den kostbarsten Schatz, drückte ihn an die Brust und ließ seinen Tränen freien Lauf. Er krümmte sich zusammen und wurde von einem Schluchzen geschüttelt, das ihn innerlich fast zerriss. Das DPI würde Amber Lily vermutlich nicht töten, doch das galt sicher nicht für ihre Mutter. Angelica. Und er wollte nicht ohne sie weiterleben – doch er musste einen Weg finden. Für ihr Baby.
Alles war verloren, die Welt stand still, und in seiner Schwachheit ließ er sich einfach mit dem Gesicht nach unten auf die staubige Straße fallen, nässte die Reifenspuren im Sand mit seinen bitteren Tränen.
Nur langsam dämmerte es ihm. Sehr langsam. Aber mit einem Mal schien er von seiner Höllenqual erlöst. Es bot sich ein Strohhalm und mit ihm ein wenig … Hoffnung. Er richtete sich auf und betrachtete den Schuh genauer. Keinerlei Brandspuren. Nicht einmal angesengt. Oder zerrissen oder beschädigt.
Er inspizierte die Umgebung und sah die nassen, qualmenden Überreste der Kirche ein gutes Stück entfernt liegen. Und als er den Boden absuchte, sah er keine anderen Trümmer. Die Explosion hatte nichts so weit weggeschleudert. Und die Reifenspuren …
Er befand sich hinter der Kapelle. Ja, der schmale Weg führte auch um die Kapelle herum, aber die Leute aus der Stadt hatten alle vorn gehalten. Niemand fuhr hinten herum.
Jameson stand auf, suchte den Boden ab, näherte sich langsam wieder der Kirche. Und da fand er tatsächlich Fußabdrücke. Männerschuhe. Mehrere Männer. Und dazwischen unbenmäßige Spuren, als wäre etwas geschleift worden. Oder jemand.
„Sie lebt“, flüsterte er. Er hielt den Schuh in einer Hand und ließ sich auf die Knie niedersinken. Er beugte den Kopf, schloss die Augen. „Sie lebt … muss leben. Gott, ich danke dir.“
Jameson stand allein vor dem DPI-Hauptquartier in White Plains. Dort befand sich Angelica. Das wusste er so sicher wie seinen eigenen Namen. Und es war alles bereit. Er hatte die anderen nördlich der Stadt getroffen und ihnen erklärt, was geschehen war. Tamara hatte sich mit Susan Jennings in Verbindung gesetzt und ihr mehr Geld angeboten, als sie in ihrem Leben je gesehen hatte, wenn sie mit ihnen käme und sich tagsüber um Amber kümmerte. Niemand erklärte ihr, warum das so sein musste. Sie fragte nicht. Jameson vertraute ihr.
Er hatte eine kurze, kostbare Zeit mit seiner Tochter verbringen dürfen. Doch das ging jetzt nicht mehr. Mehr würde er nicht bekommen. Aber er würde sie vor diesen Dreckskerlen retten. Und danach dafür sorgen, dass sie sich nie wieder Gedanken wegen ihrer Verfolger machen mussten. Er würde die gesamte Anlage vernichten … heute Nacht. Die Welt sollte sicher für seine Tochter sein. Wahrscheinlich würde er dabei sterben, doch das schien ihm ein lohnendes Opfer. Er konnte dafür sorgen, dass Angel und Amber das Leben führten, das sie verdienten. Und zum Teufel mit den Konsequenzen. Das waren sie ihm wert, und noch mehr.
Er sprang über den Zaun, und die Mission nahm ihren Lauf. Er tat, was getan werden musste. Und er machte es allein.
Doch plötzlich blieb er stehen, denn jemand landete sanft neben ihm auf dem Boden. „Nicht allein“, ertönte eine Stimme. Jameson drehte sich erstaunt um. Eric stand neben ihm. Er lächelte. „Auf gar keinen Fall, mein Freund.“
Die Worte waren noch nicht aus seinem Mund, da traten andere aus den Schatten
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