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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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mehr zu sagen. Ich weiß nur, daß wir uns noch einen Tag und eine Nacht herumtrieben und erst am nächsten Morgen weiterfuhren gegen Rom.
    Als wir in die Nähe des Sacco kamen, erzählte ich dem Pater mein früheres Erlebnis bei der Brücke von Frosinone.
    »Da hätten Sie allen Grund, mit mir vorher auszusteigen und im Kloster Monte Cassino oben dem Himmelzu danken für die Errettung aus Todesgefahr. Wie wär's,« fuhr er eindringlicher fort. »Ich habe nur drei Tage oben zu tun, dann fahren wir zusammen nach Rom und sind im Vatikan die Gäste des Papstes. Seine Heiligkeit ist ein Jugendfreund von mir. Als wir noch junge Kapläne waren, haben wir monatelang die gleiche Stube miteinander geteilt.«
    Das war ein Anerbieten, wie es nicht an jeden Menschen herantritt. Wird man mir verzeihen, wenn ich es trotzdem ausschlug und zwar des Umstandes halber, weil ich meiner Frau versprochen hatte, mit ihr den dreißigsten Hochzeitstag in Baden-Baden zu verleben? Was wäre geschehen, wenn ich mein Versprechen nicht gehalten hätte? Ich will dem nicht nachsinnen, bedauere aber heute, daß ich mein Wort gehalten. Rheinsalm und Kälberbraten könnt ich wohl schon noch einmal mit meiner Frau zusammenessen. Mit dem Stellvertreter Gottes die Beine unter den Tisch zu stellen, ist mir nie mehr gelungen.
    Doch geschehen ist geschehen. Der Kapuziner ging seine Wege und wir die unsrigen über viele tausend Kilometer italienischer Eisenbahndämme hinweg.
    In Como gönnten wir uns noch einen Ruhetag und nahmen ein Diner ein in einem Restaurant am See. Frau Kalbow war überaus gut aufgelegt.
    »Sie freuen sich, nach Hause zu kommen.« fragte ich über den Tisch hinüber.
    »Ja und über diesen Schal hier, den mein Mann mir gekauft.«
    »Fritze du?« fragte ich befremdet.
    »Eben ich,« gab er zurück. »Ich mußte sie doch schadlos halten von wegen des gestohlenen Aquarells. Sie geht uns sonst nicht mehr mit.«
    Trotz dem kostbaren Tuche ging Frau Kalbow nicht mehr mit. Wer sollt' es denken: Sie, die Überschäumende, Übersprudelnde trug hinter einem blühenden Äußeren den Keim des Todes in der Brust. Sie kämpfte wacker mit dem Vernichter alles Schönen, bis er, der Unüberwindliche, sie, ich weiß nicht genau in welchem Jahre, in den Sarg zwang.

»Funkenblicke seh' ich sprühen
Durch der Linden Doppelnacht.«
    iemals war das Paradies auf der Erde, wenn wir Deutschen es vor dem Jahre 1914 nicht hatten. Aus dem frommen Boden schossen die Kirchtürme heraus wie die Spargeln, und Fabrikschornsteine wie gaile Hanfstengel. Geld kam ins Land und der Arbeiter schwamm im Bier und mästete sich mit billigen Schweinerippchen. Einen Fehler freilich hatte dieses Eden, es waren zu viele Adams darin und leider auch Evas. Die Folge dieses Umstandes war ein zu rasches Anwachsen der Bevölkerungsziffer. »Wovon wollen die leben, wenn sie nochmehr geworden sind,« fragten jene sich, die am Zaune standen und durch das Laub der Bäume guckten. »Sie werden über unsere Felder herfallen, wenn sie ihren Kohl aufgefüttert haben,« gaben sie sich selber zur Antwort und wurden ängstlich. Der Furchtsame sucht immer nach einem Helfer und findet ihn leicht in einem anderen Verzagten. So waren, durch unsere Überproduktion veranlaßt, jene starken Völkerverbrüderungen entstanden, die das Vaterland wie ein eiserner Ring umspannten. Jeder Deutsche fühlte den Druck des Reifes in der Gegend seiner kurzen Rippen. Ihm war, als ob er nicht atmen könne, und das was jeder empfand, machte sich in dem Worte Luft: »So kann's nicht bleiben.« Um diesem verwegenen Diktum, das an den Grundfesten des Bestehenden rüttelte, auszuweichen, hatte ich mich mit anderen Leichtlebigen nach dem Nebenzimmer in den »Vier Jahreszeiten« zurückgezogen. Da saßen wir um den runden Tisch, rauchten, tranken und überließen das Weltregieren dem lieben Gott und jenen, die dafür bezahlt wurden. Dachte man ganz und gar einmal an die Möglichkeit eines Krieges, so stellte man sich den als einen kurzdauernden vor und seine Schlachten verlegte man hinter die Berge und hinter sumpfige Einöden, in deren Morast man den Gegner ersticken ließ. Man war eben in der langen Friedenszeit der richtige Philister geworden, der an die Allmacht des preußischen Landwehrmannes glaubte, Gott einen guten Mann sein ließ und nicht geniert sein wollte. Eine Ausnahme von der Regel dieser Musterknaben machte auch ich nicht. Ich war im langsamen Vorrückensechzig Jahre alt geworden und hatte meine beiden Kinder

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