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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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lang. Mit seinem Sohne zusammen mußte er auf den Markt gefahren werden, aber die Beiden ließen sich in einer Kiste nur schwer verpacken.
    Da – es war an einem Sonntag in der Morgenfrühe – kam der erlösende Gedanke. Ich lag im Bett und ließ mein Ohr füllen von fernem Glockengeläute, das wache Träume schuf. »So, jetzt hast du ihn,« mußt ich da mit einem Male sagen und sprang mit gleichen Füßen aus den Federn. »Genau in der Pose wie der Kirchenschwänzer damals der Engelwirtin zu Waldmichelbach erschien, so mußt du ihn vor dein Publikum stellen und es wird wissen, was es an ihm hat.« Von da ab schrieb ich denn munter drauf los. Freilich, ein Jahr hat's doch noch gedauert, bis »Adams Großvater« fertig war und bis ich im Rheingau unter das vollendete Werk die Worte setzen konnte:
    Zu Schliersee erdacht' ich den Roman,
Zu Schlangenbad macht' ich den Schlußpunkt dran.
    Ich war nämlich in dies stille Waldtal geflohen, um ruhig arbeiten zu können. Nun, wo ich fertig, suchte ich nach neuer Tätigkeit und fand in einer Zeitung das Gesuch eines Wittener Arztes nach einem Vertreter. Ich meldete mich und wurde angenommen.
    So stand ich denn am 1. September des Jahres 1917 zwischen rauchenden Schornsteinen am Ufer der kohlenschwarzen Ruhr in einer mir gänzlich unbekannten Stadt.Um mir die Orientierung zu erleichtern, suchte ich nach einer Kartenskizze und geriet in den Laden eines Buchhändlers. Hier vor einer Unmasse von Gelehrsamkeit, die in Regalen aufgespeichert war, spielte mir mein Regenmantel einen dummen Stretch. Er war wie das Kleid Johannis des Täufers aus Kamelshaaren und ich hatte ihn in Peking gekauft. Ich muß zugeben, daß er etwas Exotisches an sich hatte, selbst dann noch, wenn man sich das Ideogramm wegdenkt, das der mongolische Schneidermeister an das Rockfutter genäht hatte. In den Verdacht der Spionage wäre ich aber wohl doch noch nicht gekommen, wenn nicht die Wogen politischer Erregung allzuhoch gegangen wären und wenn mir nicht eine bleichsüchtige Jungfrau gegenübergestanden hätte, die es mit ihren patriotischen Pflichten gar zu ernst nahm. Kaum hatte sich dem kleinen Racker der Gedanke aufgedrängt, daß ich ein Ausländer sei, so mußte ich auch schon Kriegsgeheimnissen nachspüren und mit dem feindlichen Ausland im Bunde stehen. Der schlaue Cherub ließ mich in seinen Büchern wühlen, verkaufte mir aber weder einen Führer noch eine Karte. Ich ging ärgerlich aus dem Geschäft und die Ruhrstraße entlang. Vor den Körben einer Obsthändlerin machte ich halt, um mir Birnen zu kaufen. Als ich eben den Geldbeutel ziehen will, legt mir ein Polizist die Hand auf den Arm. »Im Namen des Gesetzes« sagt er, »mein Herr, Sie sind verhaftet.«
    »Schon wieder einmal« bemerkte ich und folgte dem Zutreiber der Gerechtigkeit ins Ratshaus hinein.
    In einem öden Zimmer, das nach Handkäse und Streusand roch, saß ein schnauzbärtiger Beamter, der mich vergeblich mit seinen Blicken zu durchbohren suchte. Als dies mißlang, verlangte er mit gebietender Stimme nach dem Anblicke meines Passes. Da ich keinen hatte, so war ich schon so gut wie der Spionage überführt, und ich wurde angepfiffen.
    »Er treibt sich also ausweislos im Lande herum und versucht es, Karten und sonstiges Material zusammenzukaufen und über die Grenze zu schaffen. Wie heißt er denn?«
    Da ich nun gar das schreckliche Wort Karrillon noch hervorstoßen mußte, da war ich verhört, gerichtet und verdammt. »Er bleibt zunächst in Haft, bis anderweitig über ihn verfügt sein wird,« hieß es. »Oder hat er vielleicht eine vertrauenswürdige Persönlichkeit hier am Ort, die über ihn aussagen kann.«
    Ich nannte die Gattin meines Chefs und bat, dieselbe telephonisch über mich befragen zu wollen. Ihr Mann war nämlich, nachdem er mich kurz instruiert hatte, nach dem Sennelager abgereist.
    Der Apparat schnurrte und der Kommissar rief in den Schallbecher hinein: »Frau Doktor da?«
    »Nein, ausgegangen in die Stadt« antwortete das Dienstmädchen.
    »Schlimm für Sie« fuhr der Beamte mir zugewendet fort. »Haben Sie nicht etwa noch einen anderen Bekannten in der Stadt?«
    »Da fällt mir eben ein, den Herrn Oberbürgermeister« entgegnete ich.
    »So so, mein Herr, wollen wir also den einmal anrufen. Aber bitte, nehmen Sie Platz. Sie werden müde sein,« flötete in milden Tönen der Großinquisitor.
    Als ich mich nach einem Stuhl umwende, sehe ich die kleine Buchhändlergans sitzen, die durchaus das Kapitol retten

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