Erleuchteter Sex
hinausgeht, was der Zyklus aus Anspannung und Entspannung, was ein Samenerguss bewirken kann. Ich will so tief lieben, mich so weit entspannen und die Freiheit offenen Bewusstseins so mühelos erleben, dass mein Herz nicht mehr verzagt, unerfüllt oder getrennt ist.
Mein ganzes Leben kreist um diesen Wunsch. Ständig bemühe ich mich darum, Liebe und Erfüllung zu finden oder mich von Stress und Angst zu befreien. Doch was ich auch tue, um mein Leid zu lindern und mein Glück zu mehren, scheint die Qual der Oberflächlichkeit nur noch zu verlängern. Mit zunehmendem Alter stelle ich fest, dass ich mich mit vertrauten Annehmlichkeiten zufriedengebe. Die Suche nach tiefer Erfüllung erscheint sinnlos.
Nichts von dem, was ich tue und erlebe, kann mir geben, was ich wirklich will. Und doch bleibe ich an jene Folge aus geplanten und ungeplanten Ereignissen gebunden, die mein Leben ist, als könnten sie mich an einen Ort führen, der so ganz anders ist als der bloße Augenblick, als könnten sie mir etwas Endgültiges offenbaren, das meiner Suche ein Ende macht.
Die Ejakulation ist die Verkörperung dieses Verlangens. Ich bin kurz davor zu kommen, echte Wonne zu erleben, und spüre, wie die Aussicht darauf meine Aufmerksamkeit gefangen nimmt. Meine Partnerin in ihrer Durchlässigkeit unter mir spüre ich nicht. Und auch nicht die sterbenden, von Schmerz gequälten Seelen an weniger gesegneten Orten dieser Erde, Menschen, deren Leid ich mir kaum vorstellen kann, spüre ich nicht. Stattdessen pumpe ich meinen Penis immer wieder in den feuchten, warmen Leib meiner Partnerin und konzentriere mich ausschließlich auf die bevorstehende Ejakulation.
Am allerwenigsten spüre ich mein Innerstes, mein wahres Wesen, das immer schon - und auch jetzt - frei, offen und grenzenlos ist. Meine wahre Natur ist grenzenlos, unbegreiflich, absolut. Doch statt die Unendlichkeit und Freiheit in mir zu spüren, richte ich meine gesamte Aufmerksamkeit auf den bevorstehenden Samenerguss. Alles, was vor mir war und jenseits des Schlafzimmers geschieht, und alles, was eben hier und jetzt passiert - die völlige Offenheit des Augenblicks, sein einfaches So-Sein, ein Leuchten - all das wird ausgeblendet, damit ich mich auf meine Ejakulation konzentrieren kann. Ich bin ein Sklave meiner genitalen Bedürfnisse.
Als mir das bewusst wird, als mir klar wird, dass ich meiner Aufmerksamkeit Grenzen setze und in diesem sonst so offenen, freien Augenblick Leid erzeuge, lasse ich los. Das Licht meiner Aufmerksamkeit, das zuvor wie ein Punktscheinwerfer auf das Ereignis meiner bevorstehenden Ejakulation gerichtet war, weitet sich zu einem breiten Lichtstrom, der alles erhellt - meine Geliebte, das Bett, das Zimmer, die Welt, Vergangenheit und Zukunft. In dieser Weite dehnt sich auch mein genitales Verlangen aus. Der Körper entspannt sich, weitet sich und wird von ungehemmter Energie durchströmt.
Ich entspanne Bauch und Brust, damit mein Atem weich und kraftvoll fließen kann. Ich entspanne Kiefer, Gesicht und Augen, damit die ganze Vorderseite meines Körpers weich, rund und lebendig wird, statt steif oder angespannt zu sein.
Beim Einatmen ziehe ich den Atem an der Vorderseite hinunter, als wolle ich den Kraftstrom aus meinem Kopf über das Gesicht, durch Kehle und Brust in meinen Bauch und bis hinunter in die Geschlechtsorgane lenken. Dann spanne ich die Beckenbodenmuskulatur an, damit sie wie ein Trampolin wirken kann. Wenn die Energie an der Körpervorderseite herabströmt und auf den Beckenboden trifft, stelle ich mir eine Aufwärtsbewegung vor, spanne Anus, Geschlechtsorgane und Perineum an und lasse die Energie wieder nach oben schnellen. Beim Ausatmen schießt sie dann aus den Genitalien an der Wirbelsäule entlang wieder nach oben. Während die Orgasmusenergie an der Wirbelsäule nach oben steigt, wende ich den Blick zum Himmel, und ein großes Entzücken durchfährt meinen Körper, strömt durch den Kopf nach oben, weiter und weiter nach oben, als flösse es in einen weiten Raum aus Licht.
Mein Atem verströmt sich in diesem himmlischen Reich des Lichts. Aus Zeit wird Raum, und auch diese Weite vergeht in einer Leere jenseits aller Form. Schwerelos schweben unsere Körper, genossene Früchte wie in einem längst vergangenen Traum.
Die Wiederkehr meines Atems lässt meinen Bauch anschwellen und saugt mich wieder nach unten, tief in den Körper hinein. Völlig gelöst steige ich in meinen vollen Bauch hinab, der sich an meine Geliebte drängt.
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