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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Menschen zu deuten vermochte.
    Eines war sicher: Der Mann da oben in dem Haus auf der Anhöhe hatte nicht natürlich reagiert. Martin Holt war zu abweisend, zu gefühllos, zu bedrückt gewesen, als er über seine beiden ältesten Söhne sprach, und zugleich hatte es ihn zu wenig interessiert, warum sich ein Polizeikommissar aus Kopenhagen in dieses felsige Land hier oben begab. Nicht so sehr das, wonach die Leute fragten, sondern eher das, wonach sie
nicht
fragten, zeigte dem aufmerksamen Zuhörer, dass etwas nicht stimmte. Das galt wohl auch in diesem Fall.
    Carl blickte hinauf zu dem Haus über der Kurve und klemmte sich den Kaffeebecher zwischen die Schenkel. Jetzt wollte er vorsichtig die Augen schließen. Powernaps waren ein Lebenselixier.
    Nur zwei Minuten, dachte er und wachte zwanzig Minuten später auf, wobei er feststellen musste, dass ein ganzer Becher Kaffee seine Genitalien abkühlte.
    »Scheiße!«, brüllte er und wischte den Plastikbecher und den Kaffee von der Hose. Sekunden später wiederholte er den Fluch, als er sah, wie die Scheinwerfer eines Autos vom Haus da oben hinunter zur Straße Richtung Ronneby glitten.
    Er ließ den Kaffee Kaffee sein, mochte er doch in den Sitz sickern, warf den Motor an und trat das Gaspedal durch. Es war verdammt dunkel hier. Kaum hatten sie Hallabro hinter sich gelassen, gab es in dieser steinigen Einsamkeit Blekinges nur noch die Sterne über ihm und den Wagen vor ihm.
    So fuhren sie zehn bis fünfzehn Kilometer, dann streiften die Scheinwerfer ein grellgelbes Haus. Es stand auf einer Kuppe, aber so nahe an der Straße, dass wahrscheinlich schon ein kräftiger Windstoß ausreichte, um das hässliche Gebäude zu einem ernsten Verkehrshindernis zu machen.
    Der Wagen vor ihm bremste und bog in die Einfahrt ein. Carl wartete zehn Minuten am Straßenrand, dann ließ er seinen Peugeot dort stehen und bewegte sich vorsichtig zum Haus hin.
    Erst da sah er die vielen Gestalten im Wagen. Vier Menschen in allen Größen. Unbeweglich, finster.
    Erneut verharrte er ein paar Minuten. Bis auf den Anstrich, der sogar im Dunkeln leuchtete, war dieses Haus kein heiterer Anblick.
    Haufenweise Müll und rostige alte Gerätschaften. Das Ganze wirkte, als rottete es seit vielen Jahren verlassen vor sich hin.
    Für so eine Familie ist das doch ein weiter Weg von dem eleganten Haus in Græsteds Villenviertel bis zu dieser Einöde hier, dachte Carl und verfolgte die Scheinwerfer eines schnell fahrenden Autos, das unten aus Ronneby kam. Der Lichtkegel fegte über die Giebelwand und das auf dem Hof geparkte Auto. Für den Bruchteil einer Sekunde beleuchtete er das verweinte Gesicht der Mutter und auf dem Rücksitz die Gesichter einer jungen Frau und zweier Teenager. Alle wirkten extrem mitgenommen, nervös und erschrocken.
    Carl schlich bis ans Haus heran und legte ein Ohr an die morsche Bretterwand. Jetzt konnte er erkennen, dass den alten Kasten vermutlich nur die Farbschicht noch zusammenhielt.
    Im Haus ging es hoch her. Zwei Männer, die lautstark diskutierten, offenkundig uneins in irgendeinem Punkt. Das war ihrem Schreien und dem harten, unversöhnlichen Tonfall zu entnehmen.
    Als das Gebrüll abrupt aufhörte, konnte Carl gerade noch sehen, wie der Mann die Haustür hinter sich zuknallte und sich förmlich auf den Fahrersitz des wartenden Autos warf.
    Mit quietschenden Reifen setzte er zurück und donnerte südwärts davon.
    Carl hatte seine Entscheidung getroffen.
    Das hässliche gelbe Haus schien ihm etwas zuzuflüstern.
    Und er hörte mit großen Ohren zu.
     
    Auf dem Namensschild stand
Lillemor Bengtsson
. Doch die junge Frau, die auf sein Klingeln öffnete, hatte gar nichts von einer »kleinen Mutter«. Anfang zwanzig, blond, leicht schiefe Vorderzähne – und schlichtweg bezaubernd, wie man wohl früher gesagt hätte.
    Also hatte Schweden doch etwas Gutes.
    »Nun, ich gehe davon aus, dass ich irgendwie erwartet werde.« Er zeigte ihr seine Dienstmarke. »Treffe ich Poul Holt hier an?«
    Sie schüttelte den Kopf, lächelte aber. Sie hatte sich bei dem Streit eben wohl in sicherem Abstand gehalten.
    »Dann ist Tryggve da?«
    »Kommen Sie herein.« Sie trat zur Seite und deutete auf die nächste Tür.
    »Er ist da, Tryggve«, rief sie ins Zimmer. »Ich geh schon schlafen, ja?«
    Sie lächelte Carl zu, als wären sie alte Freunde, und ließ ihn mit ihrem Freund allein.
    Der war groß und dünn, so ein richtig langes Elend. Aber was hatte er sich eigentlich vorgestellt? Carl

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