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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Stimme in einwandfreiem Dänisch.
    »Können wir darüber vielleicht drinnen sprechen?«
    »Ich glaube nicht.« Die blasse Gestalt zog sich zurück und machte Anstalten, die Tür wieder zu schließen. Da packte Carl den Türgriff.
    »Martin Holt, erlauben Sie mir, einige Worte mit Ihrem Sohn Poul zu wechseln?«
    Er zögerte. »Nein«, sagte er dann. »Der ist nicht hier, das geht also nicht.«
    »Wo kann ich ihn treffen, wenn ich fragen darf?«
    »Das weiß ich nicht.« Er sah Carl fest an. Etwas zu fest für diese Bemerkung.
    »Sie haben keine Adresse von Ihrem Sohn Poul?«
    »Nein. Und jetzt möchte ich in Ruhe gelassen werden. Wir haben Bibelstunde.«
    Carl zog seinen Zettel hervor. »Ich habe hier die Liste des Einwohnermeldeamtes, wer am 16.   Februar 1996, als Poul an der Ingenieurhochschule aufhörte, unter Ihrer damaligen Adresse in Græsted als wohnhaft gemeldet war. Wie Sie hier sehen,waren das Sie und Ihre Frau Laila sowie Ihre Kinder Poul, Mikkeline, Tryggve, Ellen und Henrik.« Er blickte auf. »Aus den Personennummern geht hervor, dass die Kinder heute entsprechend einunddreißig, sechsundzwanzig, vierundzwanzig, sechzehn und fünfzehn Jahre alt sind. Ist das korrekt?«
    Martin Holt nickte und schob den Jungen weg, der gekommen war und ihm nun neugierig über die Schulter blickte. Derselbe Junge wie vorhin. Das war bestimmt Henrik.
    Carl sah dem Jungen nach. Seine Augen hatten diesen willenlosen, leblosen Ausdruck, den Menschen bekommen, wenn sie über nichts anderes entscheiden dürfen, als wann sie Stuhlgang haben wollen.
    Dann richtete Carl den Blick wieder auf den Mann, der die Zügel in seiner Familie offenbar sehr straff hielt. »Wir wissen, dass Poul an dem Tag, an dem er sich zum letzten Mal an der Ingenieurhochschule zeigte, zusammen mit Tryggve dort war«, sagte er. »Wenn Poul also nicht zu Hause lebt, gestatten Sie mir vielleicht, stattdessen mit Tryggve zu sprechen? Nur für einen Moment?«
    »Nein, mit dem reden wir nicht mehr«, kam es kalt und tonlos. Die Lampe über der Haustür zeigte die ungesunde graue Hautfarbe eines überlasteten Menschen. Zu viel Arbeit, zu viele Entscheidungen und zu wenige positive Erlebnisse. Graue Haut und matte Augen, der Mann hatte beides. Und diese Augen waren das Letzte, was Carl sah, ehe der Mann die Tür zuknallte.
    Eine Sekunde später erlosch das Licht über der Haustür und im Flur. Aber Carl wusste, dass der Mann noch immer dort drinnen stand und darauf wartete, dass er wegging.
    Da machte Carl ein paar vorsichtige Schritte auf der Stelle, sodass es sich anhörte, als ginge er die Treppe hinunter.
    Im selben Moment hörte man den Mann hinter der Tür beten.
    »Zügele unsere Zunge, Herr, sodass wir diese hässlichenWorte nicht aussprechen, die Worte, die unwahr sind, die wahren Worte, die nicht die ganze Wahrheit sagen, die ganze Wahrheit, die unbarmherzig ist. Um Jesu Christi willen.« Er betete auf Schwedisch.
    Sogar seine Muttersprache hatte er aufgegeben.
    »Zügele unsere Zunge, Herr« und »Mit dem sprechen wir nicht mehr«, hatte er gesagt. Wie zum Teufel konnte er so etwas sagen? War es nicht gestattet, über Tryggve zu sprechen? Oder über Poul? Waren die beiden Söhne im Zusammenhang mit den Geschehnissen damals verstoßen worden? Hatten sie sich als unwürdig für Gottes Reich erwiesen? War es so einfach?
    In dem Fall ginge es einen dänischen Beamten tatsächlich nichts mehr an.
    Und was nun?, dachte er. Sollte er trotzdem die Polizei in Karlshamn anrufen und um Unterstützung bitten? Und wie sollte er argumentieren? Die Familie hatte ja nichts angestellt. Soweit ihm bekannt war.
    Er schüttelte den Kopf, stieg lautlos die Treppe hinunter und setzte sich ins Auto. Rückwärts fuhr er zurück auf die Straße und hielt nach einer Stelle Ausschau, wo er einigermaßen unverfänglich parken konnte.
    Dann schraubte er den Deckel seiner Thermoskanne auf. Der Mist war eiskalt. Natürlich, wie sollte es auch anders sein, dachte er. Mindestens zehn Jahre war es her, seit er zuletzt einen solchen Nachtdienst übernommen hatte. Auch damals war das nicht ganz freiwillig gewesen. Feuchtkalte Märznächte in einem Auto ohne anständige Nackenstütze und mit eiskaltem Kaffee im Plastikbecher waren nicht gerade das, was er im Sinn gehabt hatte, als er den Job im Präsidium übernahm. Und jetzt saß er hier. Ohne einen blassen Schimmer, wie es weitergehen sollte. Nur geleitet von dem, was sich Instinkt nannte und sekundenschnell die Reaktionen von

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