Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut
verschlossen. Mascha rüttelte an der Klinke. »Joe, bist du da drin?«
Corinna kam in ihr Büro zurück. Sie setzte sich an ihren Platz und ordnete ihr Kleid noch mal, obwohl sie sich schon in Gerry Adlers Büro wieder hergerichtet hatte, solange der auf der Toilette gewesen war.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch aus Lohmanns Büro. Die Tür war nur angelehnt. Corinna stieß sie auf.
Lohmann lag über dem Schreibtisch, in seinem Rücken steckte eine große Büroschere. Neben dem Schreibtisch stand Joe. Er versuchte gerade, mit seinem Taschentuch die Schere abzuwischen.
Corinna rannte auf den Korridor hinaus und lief direkt ihrem Liebhaber in die Arme.
»So sollte man jeden Tag anfangen«, sagte Gerry grinsend.
Aber Corinna schnappte nach Luft und stieß unzusammenhängende Wörter hervor. »Er ist... ein Mann mit einer Schere... tot, er ist tot.«
Gerry Adler durchquerte Corinnas Büro und betrat Lohmanns Zimmer. Joe fuhr herum.
Gerry hob beruhigend die Hände. »Ist gut, ist gut – glauben Sie mir, ich kann Sie verstehen!« Er ging um den Schreibtisch herum. »So wie er mit Ihnen umgegangen ist.« Gerry stand jetzt an der rechten Schreibtischschublade und zog sie ganz langsam auf. Auf einem Stapel Papier lag ein Revolver.
Joe stotterte. »Ich. ich weiß nicht, wie das passiert ist.«
Gerry nahm die Waffe heraus, entsicherte sie und richtete sie auf Joe. »Eine falsche Bewegung, und ich knall Sie ab!«
4
Bienzle hatte sich einen Helm aus Zeitungspapier aufgesetzt. Er stand hoch oben auf einer Bockleiter, tauchte die Rolle in die Farbe und zog an der Decke des Wohnzimmers seine erste Bahn, als sein Handy klingelte, das auf dem Tapeziertisch lag.
»Ich hätt’s ausschalten sollen«, rief er. »Kannst du grade mal rangehen?«
Hannelore kam aus der Küche, sie trug einen weißen Kittel und hatte ihre Haare in ein buntes Kopftuch gebunden. Sie nahm das Telefon vom Tisch und warf es Bienzle zu. Beim Versuch, es aufzufangen, verlor Bienzle beinahe das Gleichgewicht.
»Ja?«, bellte er in den Apparat. »Wo ist das? – Ist doch prima, wenn der Täter noch direkt neben der Leiche gestanden hat.« Dann seufzte er. »Also gut, ich komm.« Er schaltete das Handy aus und stieg von der Bockleiter.
»Ich hätt’s mir denken können«, sagte Hannelore.
»Ja no, Urlaub hab ich erst ab morgen«, sagte Bienzle. »Vielleicht hätten wir doch erst nach dem kleinen Wanderurlaub anfangen sollen.«
»Aus dem Wanderurlaub wird dann ja wahrscheinlich auch nichts.« Hannelore stieg mißmutig die Leiter hinauf, um Bienzles Arbeit fortzusetzen.
»Natürlich wird da was draus. Das laß ich mir nicht nehmen.«
Hannelore sagte: »Bienzle, ich glaub dir kein Wort.«
Die Leiche Lohmanns lag noch immer auf dem Schreibtisch. Die Spurensicherung hatte gerade ihre Arbeit begonnen. Unter der Tür erschien Bienzle. Gächter war schon da. Joe stand mit Handschellen gefesselt in der Ecke.
Corinna Lohmann berichtete unter Tränen: »Er muß eine Minute vorher zugestochen haben. Und dann hat er mit dem Taschentuch die Schere abgewischt...«
Bienzle riß, ohne sich mit einem Gruß aufzuhalten, die Vernehmung an sich. »Wer sind Sie, die Sekretärin?«
»Ich bin seine Frau, und ich mache hier das Sekretariat, ja.«
Gächter sagte mit einem spöttischen Lächeln: »Und das ist der leitende Hauptkommissar Ernst Bienzle.«
Joe meldete sich: »Ich war’s nicht! Wie ich reingekommen bin, lag er schon so da.«
»Ich war bei Herrn Adler drüben«, sagte Corinna schniefend. »Wir haben ein Projekt besprochen.«
Bienzle warf Corinna einen mißtrauischen Blick zu. Danach hatte er sie gar nicht gefragt. »So, so«, sagte er nur grimmig.
Joe rief wieder: »Ich war’s nicht, das müssen Sie mir glauben!«
»Haben Sie schon einen Anwalt?«, fragte Bienzle den jungen Mann.
»Ich hab den Bossi angerufen, aber den würde der Fall nur interessieren, wenn ich wirklich der Mörder wäre.«
Bienzle warf dem Jungen einen Blick zu. Entweder war er absolut cool, oder er war es tatsächlich nicht gewesen. »Wir reden dann im Präsidium weiter«, sagte der Kommissar und wandte sich dann zu den uniformierten Beamten: »Bringt ihn weg!«
Vor dem Bürohaus hängten zwei Männer in blauen Arbeitsanzügen den Imbißwagen an ein Abschleppfahrzeug der Polizei. Joe wurde von zwei uniformierten Beamten zu einem vergitterten grün-weißen Kastenwagen geführt. Der Regen hatte aufgehört. Bienzle trat aus dem Gebäude und blinzelte in die
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