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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Vater an den Sohn weitergegeben. Um die Versorgung dieser gewaltigen Industrie zu gewährleisten, schwammen riesige Flöße aus entrindeten Baumstämmen die Flussarterien hinab. Angeblich wurden fünfzigtausend Bäume gefällt.
    Die große Invasion war ein umfangreiches Unternehmen, das die Ressourcen des gesamten Herzogtums erschöpfte – und alles musste bezahlt werden. William erlegte seinen Adligen Quoten auf: Jeder »schuldete« ihm eine bestimmte Anzahl Schiffe, Fußsoldaten und Reiter. Selbst Odo musste hundert Schiffe stellen. Fehlmengen glich William aus seiner eigenen Schatulle und der Schatzkammer des Herzogtums aus.

    Orm erkannte allmählich, dass die Invasion ein gigantisches Glücksspiel war. Wenn sie scheiterte, war die Normandie bankrott und einer Generation von Führern beraubt. Ihre Feinde, nicht zuletzt die Frankenkönige, würden mit Sicherheit über sie herfallen. Aber der Herzog geriet nie ins Schwanken.
    Als vaterloses Kind holte sich William die engsten Verbündeten aus der eigenen Familie: seine Halbbrüder von der Tochter des Gerbers, Robert von Mortain und Odo von Bayeux. Alle drei waren sie energiegeladene, tüchtige Männer um die vierzig. Sie waren abgehärtete, erfahrene Krieger – selbst Odo, der stolz ein Kettenhemd trug, das mit dem Kirchenzehnten armer Leute bezahlt worden war. Schließlich stammten sie von Wikinger-Plünderern ab, die einen fränkischen König derart eingeschüchtert hatten, dass er ihnen die Normandie abtrat; sie waren eindrucksvoll.
    Aber im Vergleich zu englischen Herrschern wie Harold waren sie beschränkte Leute, dachte Orm.
    In England kamen die Freien einmal pro Monat zu ihren Versammlungen zusammen; die Versammlungen der Hundertschaften fanden zwei oder dreimal pro Jahr unter Leitung der königlichen Verwalter statt; und der Witan, die Summe all dieser kleinen Räte, traf sich zweimal pro Jahr. Es war eine unvollkommene Methode, aber sie sorgte dafür, dass selbst die leiseste Stimme im Land vom König gehört werden konnte. In der Normandie gab es nichts, was dem Witan gleichkam, kein Element des Einverständnisses mit der Regierung. William war ein primitiver Herrscher, der die
Loyalität seiner Anhänger mit den Belohnungen des militärischen Erfolgs festigte. Im Gegenzug erwartete er von ihnen, dass sie seine Autorität bedingungslos respektierten. Taten sie es nicht, wurden sie ausgeschlossen.
    Und wenn William England eroberte, würde dieser beschränkte Mann mit seiner Horde engstirniger Gewaltmenschen in den Besitz von Reichtümern und Ländereien gelangen, von denen die Monarchen Europas nicht einmal zu träumen wagten. Es war ein verblüffender Gedanke.
    Doch zunächst einmal musste eine Invasion durchgeführt werden.
    Im Juni fanden all die Vorbereitungen ihren Höhepunkt. Die festliche Einweihung einer Abtei, die Williams Gemahlin Mathilda hatte bauen lassen, wurde zur Feier eines blutigen Krieges, und Soldaten in Kettenhemden sahen zu, wie William und Mathilda ihre siebenjährige Tochter als kindliche Oblatin in die Abtei gaben. Orm fand diese Mischung aus Religiosität und Aggression absolut typisch für William.
    Als die Schiffe fertig waren, versammelte William seine Flotte und seine Streitkräfte im Mündungsgebiet der Dives. Aber das Wetter war schlecht; unablässiger Regen und Nordwinde hielten die Flotte im Hafen fest. Die Männer und ihre Pferde suchten Zuflucht in ihren riesigen Lagern, in Zelten, wenn sie Glück hatten, und wenn nicht, dann unter Umhängen und über Zweige geworfenen Decken. Jede Woche brachten zweitausend Karren Nahrung, Brennstoff, Wasser und Wein,
und tausend Karren transportierten den Pferdedung ab. Krankheiten nagten an dem zum Stillstand verurteilten Heer. William befahl Fastentage und Gebete; er ließ Reliquien am Meer entlangtragen.
    Aber das Wetter schlug noch immer nicht um.
    Und in England zeichnete sich derweil eine andere Gefahr ab.

XIV
    Von ihrem Standort auf einer kleinen Anhöhe abseits von Hardradas Hauptlager bei Stamfordbrycg aus sah Godgifu das englische Heer aus der Ferne herankommen. Und obwohl sie zu weit entfernt war, um den Ausdruck auf den Gesichtern zu erkennen, sah sie Wellen des Schreckens und der Furcht durch die Reihen der Norweger und ihrer englischen Verbündeten gehen.
    Dieser Ort, der bald zum Schlachtfeld werden würde, besaß eine klare landschaftliche Aufteilung. Im hellen Mittagslicht dieses Septembertages sah es hier sogar schön aus. Ein Fluss verlief ungefähr von Norden

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