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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Geplapper des Mannes zu beachten, der ihm diesen aufschwatzen wollte. »Schaut euch das an. Ich habe nichts von dieser Qualität gesehen, seit ich aus Iberien verschleppt worden bin. Vermutlich ist dies die erste richtige Stadt im Sinne der Griechen oder Mauren, die seit den Caesaren in Britannien gedeiht. Alles binnen eines Jahrzehnts!« Ibn Zuhr schien auf seine kalte, hochnäsige Weise fasziniert zu sein. »Wisst ihr, die Dänen haben Handelsverbindungen von Irland bis ins Baltikum, von Grönland bis nach Iberien. Unter ihnen
florieren Handel und Gewerbe, in diesem Land wie auch außerhalb.«
    »Der dänische Handel mag florieren, so viel er will«, knurrte Arngrim, »bis Alfred hierher kommt und ihm den Kopf abschlägt, wie man ein Unkraut ausreißt. Und dann kehren wir wieder zu unserer alten Lebensweise zurück.«
    Dem Sklaven blieb nicht anderes übrig, als seinem Herrn zuzustimmen.
    Leofgar führte die Gruppe ins Zentrum der Stadt, wo die Gemäuer vieler römischer Gebäude noch standen. Es war still hier, abseits des Getriebes der dänischen Märkte. Neugierig ging Cynewulf in die principia hinein, wie Leofgar sie nannte, das ehemalige Hauptquartier einer römischen Legion, ein mächtiger Bau, den man noch aus vielen Meilen Entfernung sehen konnte. Obwohl das Dach jetzt eingestürzt war und Haufen zerbrochener Dachziegel herumlagen, stand die principia mit ihrem dicken Mauerwerk nun seit vierhundert Jahren, ohne dass sich jemand um ihre Instandhaltung gekümmert hätte. Leofgar sagte, Kaiser Konstantin habe in diesem Gebäude den Purpur verliehen bekommen, begleitet von Blitzschlägen, Vogelflügen, Kreuzen am Himmel und anderen Wundern. Cynewulf war ein geborener Skeptiker; es fiel ihm sehr schwer zu glauben, dass der mächtigste aller Kaiser irgendetwas mit Britannien zu tun gehabt haben konnte – und schon gar nicht mit Northumbrien, diesem tristen Winkel. Aber Leofgar schien das Hirngespinst zu gefallen. Neuerdings wurden die Pflastersteine
weggeräumt, und man bettete Tote ins freigelegte Erdreich. So verwandelte sich eine römische principia in einen heidnischen Friedhof.
    In der Nähe der südwestlichen Ecke der principia fand Cynewulf eine kleine, aus Stein errichtete Kapelle. Dies war tatsächlich eine berühmte Kirche, wenn man sich ein wenig mit der Geschichte Northumbriens auskannte, an einer Stätte erbaut, wo König Edwin vor zweihundert Jahren aus Anlass seiner Konversion eine hölzerne Kapelle errichtet hatte. Der steinerne Neubau war primitiv und sah neben den gewaltigen Mauern der römischen Ruine wie ein Spielzeug aus. Anders als die principia war er jedoch ordentlich auf einer Ost-West-Achse angelegt und damit unverkennbar christlich. Und während die principia zu Verfall und Zerstörung verurteilt war, stellte diese Kapelle gewiss die Saat für eindrucksvollere Kathedralen dar, die in der Zukunft entstehen würden.
    Die kleine Kirche war gar zu verlockend. Überwältigt von seiner Reise und den bisherigen Eindrücken, entschuldigte sich Cynewulf bei seinen Begleitern und ging hinein, um zu beten.

IX
    Arngrims Gruppe wohnte bei einer fröhlichen Engländerin mit gewaltigen Armen, die Gytha hieß. Sie war Witwe und verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit dem Sammeln von Altmetall, das sie an Schmiede oder direkt an Händler wie Leofgar verkaufte. Hier sollten sie bleiben, während Leofgar seine Erkundigungen über Aebbe einholte.
    Gythas Haus bestand nur aus einem einzigen Raum mit Türen in allen vier Wänden, umlaufenden Bänken und einer großen Herdstelle aus wiederverwendetem römischem Stein. Das Dach bildeten über die Lehmwände gelegte Balken und Bretter; obendrauf hatte man Stroh gehäuft, um die Wärme im Innern zu halten. Als Cynewulf auf der Rückseite hinausschaute, sah er eine offene Jauchegrube in unmittelbarer Nähe seines Schlafplatzes. Gytha hielt Gänse, und der Boden des Hauses war glitschig von ihrem Kot. Auch Schweine kamen hin und wieder hereingelaufen, dunkle, magere, langbeinige kleine Biester.
    Eine schmale Treppe führte in einen Keller, in dem Gytha ihr »Altmetall« lagerte. Cynewulf erkannte aufgeschlitzte Kettenhemden, zerdrückte Helme und zerbrochene Schwerter, vieles davon mit braunem Blut
bespritzt. Er bemühte sich, Gytha nicht wegen ihrer Leichenräuberei zu verurteilen. Nach achtzig Nordmänner-Jahren war England mit Gebeinen übersät, und es wäre falsch von ihm gewesen, eine allein stehende Frau dafür zu verdammen, dass sie von irgendetwas zu

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