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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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mich im Stich gelassen.«
    »Leofgar meint, du seiest beschädigt worden«, warf Arngrim ein.
    »Sie haben mich benutzt«, sagte Aebbe. »Die Dänen. Und auch einige der anderen Mädchen, und ein paar Jungen. Aber mit mir hatte er wenig Spaß. Ich glaube, er hat’s getan, weil er mich mit dir gesehen hat, Thegn, und weil du es warst, mit dem er in der Halle gekämpft hat.«
    »Spaß?« Das Wort wirkte monströs, noch während Arngrim es aussprach.
    Sie zog ihren Kittel hoch und entblößte ihren Bauch und ihre Brüste. Die Wunden waren bläulich, immer noch kaum verheilt. »Seht ihr das Kruzifix, das er mir mit seinem Messer in die Haut geritzt hat?«, fragte sie. »Und diese Buchstaben, kopiert von einem Fetzen einer verbrannten Bibel. Hierfür hat er das Messer im Feuer erhitzt, sodass ...«
    »Genug.« Gytha trat vor und legte dem Mädchen mit entschlossenen, mütterlichen Bewegungen eine Decke um.

    »Bei Wodens Eiern«, knurrte Leofgar, »ein bisschen den Schnabel wetzen ist eine Sache. Das haben wir alle schon gemacht, denke ich. Aber das hier  …«
    »Ich werde sie behandeln«, sagte Ibn Zuhr leise. »Damit sie keine Infektion bekommt.«
    Cynewulf, der an seine eigene lustvolle Schwäche in der vergangenen Nacht dachte, wurde von Scham verzehrt – als hätte er selbst ihr dies angetan.
    »Wer war das?«, fragte Arngrim. »Wer war er , Aebbe?«
    »Der Anführer«, sagte sie. »Er war in Cippanhamm. Sie haben ihn Egil genannt.«
    Arngrims Augen wurden schmal. »Egil, Sohn von Egil. Die Bestie von Cippanhamm.«
    »Da ist noch etwas«, sagte Aebbe.
    »Was?«
    Sie wandte sich an Cynewulf. »Du willst mich wegen der Prophezeiung in meinem Kopf. Aber Egil hat sie . Eine uralte Abschrift. Ich habe sie gesehen.«
    Cynewulf war erstaunt. »Wie kann das sein?«
    Aebbe zuckte die Achseln. »Ich habe nur ein paar Bruchstücke gehört. Er hat seinen Kameraden gegenüber geprahlt, als er betrunken war. Ein norwegischer Vorfahr von ihm namens Bjarni sei bei dem allerersten Überfall auf Lindisfarena dabei gewesen, hat Egil gesagt, obwohl ich das nicht geglaubt habe. Und dieser Bjarni hat die Prophezeiung gestohlen, zusammen mit einem Haufen Gold der Mönche.«
    Arngrim fragte: »Und was macht er damit? Ich
kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann wie die Bestie Listen von Daten ausrechnet.«
    »Er kann sie nicht lesen. Aber er denkt, dass ihr Zauber ihn beschützt. Er glaubt, dass er nicht sterben kann.«
    »Das erklärt, warum er sich so verhält.«
    Cynewulfs Gedanken rasten. »Laut Bonifaces Anmerkungen gibt es wohl eine Zeile in der fünften Strophe«, murmelte er, »die irgendwie besagt, dass die Dänen die Prophezeiung in die Hände bekommen – ich konnte es nicht verstehen ...«
    Arngrim grinste. Offenbar genoss er Cynewulfs Unbehagen. »Also, Priester, von wem stammt die Prophezeiung denn nun, von einem Heiden oder einem Christen?«
    Ibn Zuhr verfolgte diese Gespräche schweigend und fasziniert.

X
    Als sie nach Wessex zurückkehrten, ging der Februar bereits dem Ende entgegen. Obwohl die Tage länger waren, hatte der Winter das Land noch immer fest in seinem eisigen Griff, und das offene Gelände schien Cynewulf die Wärme aus dem Körper zu saugen.
    Im Dunkel der Nacht schlichen sie sich an Cippanhamm vorbei. Das dänische Große Heer überwinterte dort immer noch.
    Sie schlugen ihr Lager in einem Gehölz auf und banden ihre Pferde an, legten dann Decken auf Blätterhaufen auf dem feuchten Boden und kauerten sich unter ihren Umhängen aneinander, um sich gegenseitig zu wärmen. So nah bei den Dänen wagten sie es nicht, ein Feuer zu machen. Arngrim hatte früher an diesem Tag mit Pfeil und Bogen ein Kaninchen erlegt, aber sie hatten keine Gelegenheit gehabt, es zuzubereiten, und so zerrissen sie das rohe Fleisch nun mit den Zähnen. Blut lief ihnen übers Kinn.
    Hier waren sie also, dachte Cynewulf: Arngrim, Ibn Zuhr, Aebbe, er selbst – ein Thegn, ein maurischer Sklave, eine Freigelassene und ein Priester. Aber niemand, der sie von außen beobachtete, hätte ihre inneren Unterschiede erkennen können. Sie waren einfach
nur vier Tiere, die im bedrohlichen Dunkel des Waldes auf Blätterhaufen kauerten und wie Hunde rohes Fleisch aßen.
    In dieser Nacht waren die Dänen jedoch nicht glücklich. Es stank nach Feuer, und man vernahm das Geschrei laufender Menschen. Cynewulf hörte darin Erschöpfung, Zorn – und Furcht.
    In Arngrims Stimme klang ein Grinsen mit, als er im Dunkeln flüsterte: »Hörst du,

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