Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
keine Kämpfe mehr geben. Widerstrebend sagte er: »Ich habe keine bessere Idee.«
    Ibn Zuhr, ein Außenseiter in diesem Drama von Verwandtschaftsbeziehungen, Königtum, Religion und Kultur, lächelte in sich hinein. »Sag mir – von welchem Orakel stammt deine Prophezeiung?«
    »Angeblich von einem Weber. Einem Kaiser der Zukunft, der die ganze Geschichte sieht, wie die Seiten eines offenen Buches.«
    »Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, weshalb er wohl möchte, dass Alfred den Sieg davonträgt.«
    Bei diesen seltsamen, mit leiser Stimme geäußerten Worten lief Cynewulf ein unerklärlicher Schauer über den Rücken.

VII
    Arngrim requirierte Pferde, feste Reisekleidung und einige Geldbeutel voller Silber. An einem frühen Februarmorgen brach er mit Ibn Zuhr und Cynewulf zu einem Ritt quer durch England zur größten Stadt der Wikinger auf.
    Sie umgingen die Dänen bei Cippanhamm und ritten ostwärts durch eine Landschaft, die sich immer noch im Griff des Winters befand. Unterwegs begegneten sie nur wenigen Menschen. Dies mochte ein Land an einem historischen Wendepunkt sein, aber in England arbeitete so gut wie jeder in der Landwirtschaft, und sofern man im Januar und Februar überhaupt vor die Tür gehen konnte, waren dies die Monate, in denen man die Äcker pflügte und die Pflanzen beschnitt, die Vorräte des Vorjahres streckte und sich auf den Frühling vorbereitete, aber nicht die Monate, in denen man reiste. Weil Cynewulf über die Kürze der Mittwintertage jammerte, gewöhnten sie sich an, schon vor dem Morgengrauen aufzubrechen und bis nach Einbruch der Dunkelheit zu reiten. Ibn Zuhr beschaffte ihnen jeden Abend eine Übernachtungsmöglichkeit, wo sie ihre Pferde einstallen oder austauschen konnten. Die germanische Tradition der Gastfreundschaft hatte
selbst in diesen Zeiten der Raubzüge und Invasionen überlebt, aber Ibn Zuhr näherte sich jeder Behausung vorsichtig, mit zurückgeworfenem Umhang, damit man sah, dass er keine Waffen in den Händen hielt, und er gab ein Hornsignal, bevor er in Bogenschussweite kam.
    Während der Reise stellte Ibn Zuhr weitere Fragen über die Prophezeiung. Obwohl Cynewulf kein Exemplar des Menologiums besaß, hatte er bruchstückhafte Analysen bei sich, die großenteils von einem längst toten Mönch namens Boniface stammten, dessen Anmerkungen aus der zerstörten Bibliothek von Lindisfarena geborgen worden waren. Ibn Zuhr las das alles eifrig, aber sofern er zu irgendwelchen Schlussfolgerungen gelangte, behielt er sie für sich.
    Sie erreichten die Stadt Snotingaham im Herzen Merciens. Das Königreich des großen Offa wurde jetzt von einem dänischen Marionettenkönig regiert und war in weiten Teilen von Nordmännern und ihren Familien besiedelt. Snotingaham selbst stand unter der Herrschaft der Dänen, aber die Engländer führten ihr Leben meist unbeirrt weiter.
    Hier suchte Arngrim einen Freund namens Leofgar auf.
    Leofgar war ein stämmiger, jovialer, wohlhabend wirkender Mann mit einer bläulichen Narbe, die sich quer über sein Gesicht zog. Sein Haar war eine wollige Masse, schwarz wie die Nacht; Cynewulf fragte sich, ob er es färbte.
    Leofgar legte den Arm um Arngrim. »Wir sind alte
Freunde«, sagte er zu Cynewulf. »Vor zehn Jahren haben wir gemeinsam gegen die Dänen gekämpft, als sie Snotingaham eingenommen und sich darin verbarrikadiert hatten und die Westsachsen uns zu Hilfe gekommen sind.« Er berührte die Narbe in seinem Gesicht. »Damals haben wir’s nicht geschafft, die Dänen loszuwerden, doch ich habe eine Trophäe mitgenommen, wie du siehst – das hier, aber auch das Leben des dänischen Mistkerls, der mir die Narbe verpasst hat.«
    Nach seiner Zeit als Kämpfer war Leofgar Waffenhändler geworden. Und nach dem Aussehen seines eleganten Umhangs und seines Schmucks zu urteilen, hatte ein Jahrzehnt des Krieges gegen das Große Heer seinem Geschäft nicht gerade geschadet. Cynewulf fragte sich zynisch, ob es ihm wohl Gewissensbisse bereitete, Waffen an beide Seiten zu verkaufen.
    Arngrim erklärte, dieser beeindruckende Mann werde ihnen für den Rest der Reise durch Northumbrien nach Eoforwic als Führer dienen. Sie brauchten ihn, denn wie jeder wusste, waren die Northumbrier ein raues Völkchen, und das waren sie auch schon gewesen, bevor die Dänen gekommen waren und ihre Könige getötet hatten.
    An diesem Abend tischte ihnen Leofgar in seinem Haus reichlich zu essen und zu trinken auf. Dann erwachten sie wie üblich vor der

Weitere Kostenlose Bücher