Eros und Evolution
zu tun, die die Taillenweite einer Frau offenbar als Hinweis auf deren Bankkonto werten und augenscheinlich unfruchtbarer Magerkeit nachlaufen.
Verschiedene Untersuchungen machen ganz unzweifelhaft klar, daß schöne Frauen und reiche Männer sehr viel häufiger zusammenkommen als reiche Frauen und schöne Männer. In einer Untersuchung erwies sich die physische Erscheinung einer Frau als ein weitaus verläßlicherer Hinweis auf den Sozialstatus ihres Ehemannes als ihr eigener sozioökonomischer Status, ihre Intelligenz oder ihre Bildung – eine relativ überraschende Feststellung, wenn man bedenkt, wie viele Menschen innerhalb ihres eigenen sozioökonomischen Status, auf gleichem Intelligenz- oder Bildungsniveau heiraten. 15 Wenn Männer die äußere Erscheinung als Hinweis auf den Status werten, weshalb verwenden sie dann nicht das eigentliche Wissen um den Status? Im Gegensatz zur weiblichen Schlankheit sind männliche Statussymbole in aller Regel »ehrlich«: Wären sie das nicht, blieben sie nicht als solche erhalten. Nur der allerbeste Schwindler ist in der Lage, verschwenderischen Lebenswandel vorzugaukeln oder über längere Zeit mit Prahlereien über seinen Einfluß und seinen Status davonzukommen. Was die Schlankheit betrifft, ist die Sache weitaus komplizierter, denn einst war es für arme Frauen von niederem sozialem Rang leichter, schlank zu sein, als für wohlhabende Frauen von hohem Rang. Selbst heutzutage, wo arme Frauen sich nur eine minderwertige Ernährung leisten können, während wohlhabende Frauen Salat essen, läßt sich nur schwer der Standpunkt vertreten, alle schlanken Frauen seien wohlhabend und alle dicken Frauen arm. 16
Der Versuch, Status und Magerkeit miteinander zu verknüpfen, ist demnach nicht übermäßig überzeugend. Magerkeit eignet sich als Hinweis auf den Wohlstand kaum, und im übrigen sind Männer ohnehin nicht so sehr an Status und Wohlstand einer Frau interessiert. Genaugenommen führt das Argument zum Zirkelschluß: Sozialstatus und Schlankheit sind der männlichen Vorliebe für Schlankheit wegen miteinander verknüpft.
Meiner Ansicht nach ist die Erklärung, die Schlankheit einer Frau wirke deshalb auf Männer, weil sie einen Hinweis auf den Status der Frau berge, wenig überzeugend.
Das Problem ist, daß ich nicht weiß, was ich an seine Stelle setzen soll.
Nehmen wir an, es trifft zu, daß die Männer zu Zeiten Rubens’ füllige Frauen bevorzugten und daß sie heute eine Vorliebe für schlanke Frauen hegen. Nehmen wir weiterhin an, die Männer haben irgendwann zwischen den fülligen Matronen Rubensscher Gemälde und den »Eine-Frau-kann-gar-nicht-schlank-genug-sein«-Tagen der Wallis Simpson aufgehört, die dickste oder irgendein mittelstarkes Ideal zu bevorzugen, und statt dessen begonnen, die schlankste Frau in ihrem Umkreis zu verehren. Ronald Fishers Theorie der sexuellen Selektion bietet eine mögliche Erklärung dafür, wie es zu dem Anpassungsdruck auf die Männer gekommen sein kann. Wenn ein Mann eine schlanke Frau bevorzugte, hatte er möglicherweise schlanke Töchter, die wiederum die Aufmerksamkeit ranghöherer Männer erregten, denn auch andere Männer bevorzugten Schlankheit. Mit anderen Worten: Eine Frau konnte vielleicht aufgrund ihrer Schlankheit nicht so viele Kinder bekommen wie eine dickere Frau, sie konnte aber davon ausgehen, daß sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ihre Töchter gut verheiraten und durch den so erworbenen Wohlstand in die Lage versetzen konnte, mehr Kinder erfolgreich aufzuziehen. Ein Mann, der eine schlanke Frau heiratete, hatte somit unter Umständen mehr Enkel als jemand, der eine dickere Frau heiratete. Stellen Sie sich nun noch vor, daß eine kulturbedingte sexuelle Präferenz sich durch Nachahmung ausbreitet und daß junge Männer die Gleichung »schlank gleich schön« durch die Beobachtung des Verhaltens anderer übernehmen. Sie stünden unter einem Anpassungsdruck (so wie die Tendenz der Beifußhennen, einander bei der Partnerwahl zu imitieren, einen Anpassungsdruck darstellt), denn ignorierten sie die jeweilige kulturbedingte Präferenz für füllige beziehungsweise für schlanke Frauen, riskierten sie, ihre Töchter zu alten Jungfern werden zu lassen, wie eine Pfauenhenne Gefahr läuft, daß ihre Söhne Junggesellen bleiben, wenn sie einen Partner mit kurzem Schwanz wählt. Mit anderen Worten: Solange die Vorliebe kulturbedingt, das bevorzugte Merkmal aber genetisch bedingt ist, bleibt Fishers Erkenntnis,
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