Eros und Evolution
daß Mode ein Diktat darstellt, unangetastet. 17 Ich muß allerdings gestehen, daß mich alle diese Überlegungen nicht wirklich überzeugen. Wenn Mode ein Diktat ist, dann ließe sie sich nicht ohne weiteres ändern. Es bleibt ein Rätsel, wie Männer damit aufhören konnten, füllige Frauen zu bevorzugen, ohne sich dadurch selbst die Chance auf konkurrenzfähigen Nachwuchs zu nehmen. Es ist nicht leicht, sich des Eindrucks zu erwehren, daß die Mode, füllige Frauen zu bevorzugen, sich nicht unter einem bestimmten Anpassungsdruck geändert haben kann. Entweder hat sie sich spontan und ohne besonderen Grund geändert, oder Männer haben schon immer eine eher schlanke Figur bevorzugt.
Die Bedeutung der Taillenweite
Des Rätsels Lösung mag sich aus den Arbeiten eines phantasievollen indischen Psychologen namens Devendra Singh, nunmehr an der University of Texas in Austin, ergeben. Er stellte fest, daß der Körper einer Frau im Gegensatz zu dem eines Mannes zwischen Pubertät und mittlerem Lebensalter zwei bemerkenswerte Veränderungen erfährt. Ein Mädchen von zehn Jahren hat eine Figur, die sich von der, die sie mit vierzig haben wird, nicht übermäßig unterscheidet. Plötzlich aber ändern sich ihre Maße: Das Verhältnis von Taillenweite zu Brust- und Hüftumfang sinkt rasch. Mit dreißig nimmt es erneut zu, wenn ihr Busen an Festigkeit verliert und ihre Taille breiter wird. Dieses Verhältnis von Taillen- zu Brust- und Hüftumfang ist nicht nur deshalb bekannt, weil man es als »Maße« einer Frau bezeichnet, sondern es wurde vor allem in der Mode stets und ständig betont: Mieder, Korsagen, Reifröcke und Krinolinen waren dazu da, Taillen im Verhältnis zu Busen und Gesäß schmal erscheinen zu lassen. Büstenhalter, -einlagen, Schulterpolster (durch welche die Taille schmaler wirkt) und enge Gürtel sind heute an ihre Stelle getreten.
Singh erkannte, daß sich zwar das Gewicht der Playboy- Pin-upsdeutlich änderte, daß das Verhältnis von Taillenweite zu Brust- und Hüftumfang jedoch gleichblieb. Erinnern wir uns, daß Bobbi Low von der University of Michigan den Standpunkt vertritt, Fettgewebe auf Gesäß und Brust erwecke den Eindruck eines breiten Beckens und eines großen Milchdrüsengewebes, während eine schlanke Taille anzuzeigen scheine, daß diese Merkmale eben nicht auf Fettgewebe zurückzuführen seien. Singhs Theorie unterscheidet sich ein wenig von Lows Theorie, weist aber erstaunliche Parallelen auf. Er ist der Ansicht, ein Mann finde innerhalb vernünftiger Grenzen nahezu jedes Gewicht einer Frau attraktiv, solange ihre Taille deutlich schlanker sei als ihre Hüften. 18
Falls Ihnen das töricht vorkommt, betrachten Sie einmal die Ergebnisse aus Singhs Experimenten. Er zeigte männlichen Testpersonen zunächst vier Versionen desselben Fotos, auf dem Taille und Hüftregion einer jungen Frau in Shorts abgebildet waren. Jedes Foto war ein wenig retuschiert und zeigte ein jeweils unterschiedliches Verhältnis von Taillen- zu Hüftweite. Die Männer entschieden sich einstimmig, die Version mit der schlanksten Taille sei die attraktivste. Das Ergebnis an sich ist nicht sonderlich überraschend, bemerkenswert ist allerdings, daß es einstimmig erzielt wurde. Als nächstes zeigte er seinen Testpersonen eine Reihe von zeichnerischen Darstellungen der weiblichen Figur, in denen sich sowohl das Gewicht als auch das Verhältnis von Taillen- zu Hüftumfang änderte. Das Testergebnis: Eine füllige Frau mit schlanker Taille wurde in aller Regel einer schlanken Frau mit einer verhältnismäßig weniger schlanken Taille vorgezogen.
Singhs Interesse gilt in erster Linie der Anorexie, der Bulimie und der Besessenheit bereits schlanker Frauen, weiter abzunehmen. Seiner Ansicht nach sind relativ schlanke Frauen, die sich einer Diät unterziehen, dazu verdammt, sich mit noch weniger Gewicht nie attraktiver fühlen zu können, weil bei ihnen eine Diät keinen Einfluß auf das Verhältnis von Taillen- zu Hüftweite hat – wenn sich überhaupt etwas ändert, dann wird die Taille in Relation zum Hüftumfang weniger schlank, weil nur dieser durch den Gewichtsverlust schrumpft.
Warum sollte das Verhältnis Taillen- zu Hüftweite von Bedeutung sein? Singh erklärt, daß eine »gynoide« Fettverteilung – mehr Fettgewebe auf den Hüften, weniger in der Körpermitte oder am Oberkörper – mit den hormonellen Veränderungen assoziiert ist, die mit weiblicher Fruchtbarkeit einhergehen. Eine »androide«
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