Eros und Evolution
im übrigen, welche die Kosmetikindustrie massiv zu untergraben sucht. Der Effekt ist jedoch derselbe: eine genetische Veränderung, die durch sexuelle Selektion entstanden ist. Eine alternative Theorie müßte irgendeinen natürlichen Vorteil für blondes Haar fordern – zum Beispiel den Zusammenhang mit heller Haut, welche die Absorption von UV-Licht zur Vorbeugung eines Mangels an Vitamin D erlaubt. Nun ist die Haut bei blonden Schweden allerdings nicht wesentlich heller als bei dunkelhaarigen Schweden; wirklich helle Haut tritt meist zusammen mit rotem Haar auf.
Bis vor kurzem war die sexuelle Selektion so etwas wie die letzte Zuflucht, wenn alle Erklärungsversuche im Rahmen einer natürlichen Selektion durch Umweltbedingungen versagten. Aber warum sollte das so sein? Weshalb ist es einsichtiger, davon auszugehen, daß blondes Haar bei den Balten aufgrund einer Vitaminmangelerkrankung selektioniert wurde, als davon auszugehen, daß es durch sexuelle Selektion entstanden ist? Die Beweise häufen sich, daß die Menschheit eine in hohem Maße durch sexuelle Selektion geformte Spezies ist und daß sich damit die große Variabilität bei Merkmalen wie Körperbehaarung, Nasenlänge, Haarlänge, Lockenpracht, Bartwuchs und Augenfarbe zwischen verschiedenen Rassen erklären lassen, eine Variabilität, die mit Klimabedingungen oder anderen physikalischen Faktoren vielleicht nichts zu tun hat. Beim Jagdfasan verfügt jede der sechsundvierzig isoliert lebenden Populationen in Zentralasien über eine andere Kombination von männlichem Gefiederschmuck: weiße Halskrause, grüner Kopf, blauer Rumpf, orangefarbene Brust. Genau wie bei ihm ist auch beim Menschen die sexuelle Selektion am Werk. 22
Die männliche Vorliebe für Jugend ist eine menschliche Eigenart. Es gibt kein anderes bisher untersuchtes Tier, das davon mit ebensolcher Intensität besessen ist. Schimpansenmännchen finden Weibchen mittleren Alters beinahe ebenso attraktiv wie junge, solange beide paarungsbereit sind. Vermutlich hat das etwas damit zu tun, daß auch die menschliche Gewohnheit, Partnerschaften fürs Leben zu schließen, und die lange Zeit der Kindererziehung einzigartig sind. Wenn ein Mann sich für das ganze Leben an eine Frau bindet, muß er sicher wissen, daß sie eine lange Zeit der Fruchtbarkeit vor sich hat. Ginge er sein ganzes Leben lang nur kurzlebige Beziehungen ein, spielte es keine Rolle, wie jung seine Partnerinnen wären. Mit anderen Worten: Wir stammen von Männern ab, die sich junge Frauen nahmen und daher mehr Söhne und Töchter hinterließen als andere Männer. 23
Schöne Gesichter
Daß viele Komponenten weiblicher Schönheit Rückschlüsse auf das Alter erlauben, weiß jede Frau und jede Kosmetikfirma. Doch zur Schönheit gehört mehr als nur Jugend. Generell gibt es zwei Gründe, weshalb viele jugendliche Frauen dennoch nicht als schön gelten: entweder sind sie über- oder untergewichtig, oder ihre Gesichtszüge erfüllen unser Schönheitsideal nicht. Schönheit ist eine Dreieinigkeit aus Jugend, Figur und Gesicht.
Ein Popsong der siebziger Jahre enthielt die grausame sexistische Zeile »schöne Beine, doch was für ein Gesicht«. Die Bedeutung regelmäßiger Gesichtszüge ist einigermaßen verblüffend. Weshalb sollte ein Mann auf die Chance verzichten, eine sexuelle Beziehung zu einer Frau einzugehen, nur weil diese ein Doppelkinn oder eine zu lange Nase hat? Es ist möglich, daß Gesichtszüge einen Hinweis auf genetische oder erworbene Qualitäten, auf Charakter oder Persönlichkeit zulassen. Die Symmetrie der Gesichtszüge mag sich durchaus als Hinweis auf gute Gene oder auf gute Gesundheit im Laufe der Entwicklung erwiesen haben. 24 »Das Gesicht ist der Körperteil mit der höchsten Informationsdichte«, erklärte mir Don Symons eines Tages. Je weniger Symmetrie ein Gesicht aufweist, um so weniger attraktiv ist es. Asymmetrie aber ist nicht allzuhäufig der Grund dafür, daß ein Gesicht für häßlich gehalten wird; viele Leute haben Gesichter von perfekter Symmetrie und gelten dennoch als häßlich. Das zweite, was im Hinblick auf die Schönheit von Gesichtszügen bemerkenswert erscheint, ist die Tatsache, daß ein Gesicht, dessen einzelne Teile der jeweils am häufigsten vorkommenden Form, also dem Durchschnitt entsprechen, stets für schöner gehalten wird als jedes andere Gesicht: Im Jahre 1883 stellte Francis Galton fest, daß er durch die Überlagerung der Fotografien mehrerer Frauen ein Gesicht erzeugen
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