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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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verschiedener Nationalitäten das Gehirn durchaus als das Produkt von Genen betrachten – und zwar nicht als das Produkt essentiell verschiedener Gene, sondern der prinzipiell gleichen Gene. Es gibt einen universell menschlichen Apparat zum Spracherwerb – genauso wie es eine universell menschliche Niere und eine universelle Heckflossenstruktur der Boeing 747 gibt.
    Denken Sie in diesem Zusammenhang auch einmal an die unerträglichen Konsequenzen einer rein umweltbedingten Sichtweise. Stephen Jay Gould karikierte die Betrachtungsweise der Verfechter des genetischen Determinismus einst mit den folgenden Worten: »Falls wir wirklich programmiert sind zu sein, was wir sind, dann sind diese Merkmale unabdingbar. Wir könnten sie im Höchstfalle zu lenken versuchen, ändern können wir sie nicht.« 11 Er sprach von genetischer Programmierung, doch dieselbe Logik gilt auch – und sogar noch nachdrücklicher – für eine umweltbedingte Programmierung. Ein paar Jahre später schrieb Gould: »Kultureller Determinismus kann auch grausam sein, wenn er beispielsweise eine schwere angeborene Störung, wie den Autismus, irgendwelchem Psychogeschwätz über zuviel oder zuwenig elterliche Zuwendung in die Schuhe schiebt.« 12
    Wenn wir tatsächlich ein reines Produkt unserer Erziehung wären (und wer könnte leugnen, daß viele Kindheitseindrücke in der Tat unauslöschlich sind – nehmen wir nur den Akzent), dann würden wir möglicherweise wirklich durch unsere verschiedenen erzieherischen Umfelder für unser weiteres Leben programmiert – für einen Werdegang als Reicher, Armer, Bettler oder Dieb. Ein nur auf Umwelteinflüssen basierender Determinismus der Art, wie ihn noch immer viele Soziologen pflegen, ist eine ebenso grausame und erschreckende Vorstellung wie ein rein biologischer Determinismus, der von ebendiesen Leuten angegriffen wird. Die Wahrheit ist, daß die Einflüsse beider in uns unlösbar und auf von Fall zu Fall sehr unterschiedliche Art und Weise miteinander verknüpft sind. Was den Aspekt betrifft, daß unsere Eigenschaften von Genen bestimmt werden, so ist zu sagen, daß Entwicklung und Gestaltung der Produkte dieser Gene durch Erfahrungen beeinflußbar sind, so wie die Augen lernen, Kanten zu finden, oder wie der Verstand seinen Wortschatz erlernt. Was den Aspekt betrifft, daß wir durch unser Umfeld geformt werden, so ist zu sagen, daß es sich um ein Umfeld handelt, auf das unser Gehirn anspricht. Wir reagieren nicht auf »Gelée Royale«, das die Arbeiterbienen an bestimmte Larven verfüttern, um sie zu Königinnen werden zu lassen.
    Und eine Arbeiterbiene lernt nicht, daß das Lächeln der Mutter ein Grund zum Glücklichsein ist.

Der programmierte Verstand
    Als sich in den achtziger Jahren auch Forscher, die sich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigten, zu denen gesellten, die nach den Mechanismen des Verstandes forschten, gingen auch sie zunächst einmal von einer behavioristischen Grundvorstellung aus: Das menschliche Gehirn sei, ähnlich wie ein Computer, ein assoziativ arbeitender Apparat. Bald stellte man fest, daß ein Computer stets nur so gut ist wie sein Programmierer. Man käme nie auf die Idee, einen Computer zur Textverarbeitung einzusetzen, wenn man nicht über ein entsprechendes Programm verfügt. Ebenso muß man einen Computer zunächst einmal mit »Wissen« programmieren, wenn man ihn in die Lage versetzen will, Gegenstände zu erkennen, Bewegungen wahrzunehmen, medizinische Diagnosen zu stellen oder Schach zu spielen. Selbst die enthusiastischsten Vertreter der Vorstellung vom »neuronalen Netz«, die Ende der achtziger Jahre entwickelt wurde, gestanden recht bald ein, daß ihr Anspruch, einen allgemeingültigen Mechanismus für assoziatives Lernen gefunden zu haben, nicht zutraf: Ein neuronales Netz hängt entscheidend davon ab, daß ihm zuvor mitgeteilt wird, welche Antwort es zu erreichen oder welches Muster es zu finden hat, oder davon, für eine bestimmte Aufgabe eingerichtet zu sein, beziehungsweise davon, geeignete Lernbeispiele zu finden. Die »Konnexionisten«, die solch große Hoffnungen in neuronale Netze gesetzt hatten, stolperten in dieselben Fallen wie die Behavioristen eine Generation zuvor. Untrainierte Netzverknüpfungen erwiesen sich sogar als unfähig, die Vergangenheitsform der englischen Sprache zu erlernen. 13
    Alternativ zum Konnexionismus und zum vorangegangenen Behaviorismus gab es einen »kognitiven Ansatz«, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die inneren

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