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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Mechanismen des Verstandes zu ergründen. Ihre erste Blüte erreichten diese Überlegungen mit Noam Chomskys 1957 erschienenem Buch Syntactic Structures (deutsch: Strukturen der Syntax), dem zufolge Allzweckapparate zum assoziativen Lernen einfach nicht in der Lage sind, grammatikalische Regeln aus der Sprache herzuleiten. 14 Nach Chomsky bedarf es dazu eines Mechanismus, der zuvor mit einem Grundwissen ausgestattet wurde, das ihm mitteilt, wonach er zu suchen hat. Allmählich begannen die Linguisten, Chomskys Argument zu akzeptieren. Wissenschaftler, die sich mit dem Sehen beschäftigten, verfolgten unterdessen den von David Marr, einem jungen britischen Wissenschaftler, vertretenen »computergestützten« Ansatz weiter. Marr und Tomaso Poggio enthüllten systematisch alle mathematischen Tricks, die das Gehirn einsetzt, um feste Gegenstände in dem vom Auge erzeugten Bild auszumachen. Die Netzhaut beispielsweise ist so verkabelt, daß eine besondere Sensitivität für Kontrastlinien zwischen hellen und dunklen Teilen eines Bildes entsteht: Mit optischen Täuschungen kann man zeigen, daß Menschen diese Linien als Anhaltspunkte für die Umrisse eines Gegenstands verwenden. Auch dieser Mechanismus ist, wie viele andere, dem Gehirn »angeboren«. Er ist für die Bewältigung seiner Aufgabe hoch spezialisiert und wird durch den steten Kontakt mit Beispielen perfektioniert. Auch hier gibt es keine Allzweckverknüpfung. 15
    Beinahe jeder Wissenschaftler, der sich mit Sprache oder Wahrnehmung beschäftigt, ist inzwischen der Ansicht, daß das Gehirn voller Mechanismen steckt, die es nicht »erlernt«, sondern die darauf spezialisiert sind, empfangene Signale auszuwerten und sie durch den Kontakt mit der Welt weiterzuentwickeln. Unser Verstand verfügt über spezialisierte Mechanismen, die in der Evolution dafür »geschaffen« wurden, Gesichter zu erkennen, Emotionen zu deuten, sich den eigenen Kindern gegenüber großzügig zu verhalten, sich vor Schlangen zu fürchten, sich zu bestimmten Mitgliedern des jeweils anderen Geschlechts hingezogen zu fühlen, Stimmungen unterworfen zu sein, Wortbedeutungen zu verstehen, sich Grammatik anzueignen, soziale Situationen zu interpretieren, die Eignung eines bestimmten Werkzeugs für eine bestimmte Aufgabe zu erkennen, soziale Verpflichtungen abzuschätzen und so weiter. Jedes dieser »Module« ist mit einem gewissen Maß an Wissen um die Welt ausgestattet, das es ihm ermöglicht, seine Aufgabe zu erfüllen – ganz ähnlich, wie die menschliche Niere dazu »geschaffen« und ausgestattet wurde, Blut zu filtern.
    Wir verfügen über Module, mittels deren wir lernen, den Gesichtsausdruck eines anderen zu deuten – es gibt in unserem Gehirn Teile, die genau das lernen und sonst nichts. Mit zehn Wochen gehen wir angesichts eines Gegenstandes davon aus, daß er massiv ist und daß deshalb keine zwei Gegenstände zur selben Zeit denselben Platz einnehmen können – eine Grundüberzeugung, an der kein noch so häufiger Konsum von Zeichentrickfilmen später mehr rütteln kann. Babys zeigen sich überrascht, wenn man ihnen Tricks vorführt, bei denen zwei Gegenstände offenbar denselben Platz einnehmen können. Mit achtzehn Monaten sind Babys davon überzeugt, daß es so etwas wie ferngelenktes Geschehen nicht gibt – daß Gegenstand A von Gegenstand B nur dann bewegt werden kann, wenn dieser ihn berührt. Im selben Alter sortieren sie Gegenstände nach ihrer Funktion und nicht nach deren Farbe. Und aus verschiedenen Experimenten geht hervor, daß wir – ähnlich wie Katzen – davon ausgehen, daß jeder Gegenstand, der in der Lage ist, sich aus eigenem Antrieb zu bewegen, ein Tier sein muß – eine Vorstellung, die uns in unserer von Maschinen beherrschten Welt nur in sehr begrenztem Maße aus eigener Anschauung erwachsen kann. 16 Zum Schluß ein Beispiel dafür, wie viele Instinkte in unseren Köpfen auf der Grundvermutung basieren, daß die Welt noch so ist wie im Pleistozän und vor der Erfindung von Autos. Ein New Yorker Säugling entwickelt bereitwilliger eine Furcht vor Schlangen als vor Autos – trotz der weit größeren Gefahr, die ihm von letzteren droht: Sein Gehirn ist für die Furcht vor Schlangen einfach prädisponiert.
    Die Furcht vor Schlangen und die Annahme, daß etwas, das sich aus eigenem Antrieb bewegt, gleichbedeutend mit einem Tier sein muß, sind Instinkte, die bei Affen höchstwahrscheinlich genausogut entwickelt sind wie beim Menschen. Auch die Abneigung eines

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