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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Verstandes nicht angeboren sein – und es lassen sich für alle Aspekte kulturelle Ursachen finden. Der Grund dafür, daß Männer junge Frauen sexuell attraktiver finden als ältere, ist die unterschwellige kulturelle Lehre, daß sie Jugend zu bevorzugen haben – und nicht etwa die Tatsache, daß diejenigen ihrer Vorfahren, die eine angeborene Vorliebe für Jugend hatten, mehr Nachkommen hinterließen. 7
    Nun waren die Anthropologen an der Reihe. Durch die Veröffentlichung von Margret Meads Coming of Age in Samoa im Jahre 1928 hatte sich diese Disziplin gewandelt. Mead behauptete, der sexuellen Vielfalt seien ebensowenig Grenzen gesetzt wie der kulturellen, und sie sei daher ein Produkt der Erziehung. Mead unternahm nur wenig, um die vorherrschende Rolle der Erziehung zu belegen – genaugenommen erweisen sich die von ihr überhaupt unternommenen Versuche zur empirischen Beweisführung bei heutiger Betrachtung im großen und ganzen als Wunschdenken 8 –, aber sie schob die Beweislast der anderen Seite zu. Die Hauptströmungen der Anthropologie scheinen bis auf den heutigen Tag der Ansicht zuzuneigen, die menschliche Natur sei im großen und ganzen ein unbeschriebenes Blatt. 9
    Die psychologische Stellungnahme kannte mehrere Abstufungen.
    Freud glaubte an allgemein menschliche Attribute wie den Ödipuskomplex. Seine Nachfolger aber versuchten verbissen, alles und jedes mit Hilfe individueller frühkindlicher Einflüsse zu erklären, und der Freudsche Ansatz verkam zu einer kleinlichen Schuldzuweisung: Die frühkindliche Erziehung sei für das Wesen eines Menschen verantwortlich zu machen. Bald gelangten die Psychologen zu der Überzeugung, daß auch der Verstand eines Erwachsenen einen Allzweck-Lernapparat darstelle. Dieser Ansatz erreichte sein abgehobenstes Stadium in B. F. Skinners Behaviorismus. Skinner war der Ansicht, das Gehirn sei schlicht ein Apparat zur Verknüpfung beliebiger Ursachen mit irgendwelchen Wirkungen.
    Rückblickend auf das, was die Nationalsozialisten im Namen der Natur alles angerichtet hatten, verspürten in den fünfziger Jahren nur sehr wenige Biologen das Bedürfnis, die Behauptungen ihrer Kollegen aus den Humanwissenschaften anzuzweifeln. Und doch begannen die ersten unbequemen Tatsachen sichtbar zu werden. Die Anthropologen hatten die von Margret Mead versprochene Vielfalt nicht feststellen können. Die Freudianer hatten mit ihren Verweisen auf frühkindliche Einflüsse nur wenig erklärt und noch weniger verändert. Die Behavioristen konnten die angeborenen unterschiedlichen Vorlieben verschiedener Tierarten, verschiedene Dinge zu lernen, nicht erklären: Wenn es darum geht, sich in einem Labyrinth zurechtzufinden, lernen Ratten leichter als Tauben.
    Die Unfähigkeit der Soziologen, Kriminalitätsursachen zu erklären oder zu korrigieren, war nachgerade peinlich. In den siebziger Jahren begannen sich ein paar mutige »Soziobiologen« zu fragen, weshalb die Menschheit eine Ausnahme bilden solle, wenn doch andere Tiere im Verlaufe der Evolution ein artspezifisches Wesen entwickelt haben. Das sozialwissenschaftliche Establishment schmähte deren Versuche und empfahl ihnen, sich fürderhin dem Ameisenbeobachten zu widmen.
    Doch ihre Frage ist bis heute unbeantwortet geblieben. 10 Der Hauptgrund für die Feindseligkeit gegenüber der Soziobiologie bestand darin, daß diese allem Anschein nach das unbeirrbare Festhalten an Vorurteilen rechtfertigte. Das aber ist schlicht ein Irrtum. Genetische Theorien zum Rassismus – oder irgendeinem anderen -ismus – haben nichts mit der Vorstellung zu tun, daß es eine universelle, instinktiv menschliche Natur geben muß. Im Grunde widersprechen die beiden einander sogar, glaubt doch die eine an Universalien, die andere an rassen- oder klassenspezifische Besonderheiten. Nur weil Gene eine Rolle spielen, spricht man von genetischen Unterschieden. Warum muß das so sein? Ist nicht auch die Sichtweise möglich, daß die Gene zweier verschiedener Individuen im Grunde weitgehend gleich sind? Das Firmenzeichen auf der Heckflosse einer Boeing 747 hängt von der Fluglinie ab, der die Maschine gehört. Die Heckflossen unter dem Emblem aber sind haargenau dieselben. Sie wurden aus demselben Metall in derselben Fabrik hergestellt. Nur weil beide Maschinen unter verschiedenen Fluggesellschaften fliegen, würden Sie doch nicht zwangsläufig annehmen, daß sie auch in verschiedenen Fabriken produziert wurden. Ebenso läßt sich auch im Hinblick auf Angehörige

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