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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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neolithische Zeitalter vom paläolithischen so wie eine Mode von der anderen – nicht in bezug auf Werkzeuge, sondern was die Erfindung von Sprache angeht oder die Einführung von Eheschließungen oder Vetternwirtschaft oder irgendein anderes Ereignis, das keine fossilen Spuren hinterläßt. Holz hatte vermutlich weit länger eine große Bedeutung für den Menschen als Stein, doch Holzwerkzeuge überleben nicht. 17 Hinzu kommt, daß die Geschichte des Werkzeugs weit davon entfernt ist, den Lobpreis unermüdlichen menschlichen Erfindungsreichtums zu singen, sondern sie erzählt im Gegenteil von einem äußerst ermüdenden Konservativismus. Die ersten Steinwerkzeuge, die vor etwa zweieinhalb Millionen Jahren im Rahmen der Homo-habilis- Technologiein der Olduvai-Schlucht Äthiopiens entstanden, waren wirklich sehr einfach: grob behauene Felssplitter. Im Laufe der darauffolgenden Million Jahre sollten sie mehr oder weniger unverändert bleiben, sie wurden eher allmählich standardisiert, statt daß man mit ihnen experimentierte.
    Danach wurden sie von der Homo-habilis- Kulturdes Acheulelen verdrängt, die Faustkeile und tropfenförmige Steingeräte kannte. Wiederum geschah über eine Million Jahre hinweg nichts, bis dann vor etwa zweihunderttausend Jahren – zeitgleich mit dem Erscheinen des Homo sapiens – eine dramatische Expansion in bezug auf Vielfalt und Perfektionierung der Werkzeuge stattfand. Von diesem Zeitpunkt an gab es kein Zurück mehr: Die Werkzeuge wurden bis zur Entdeckung der Metalle immer vielfältiger und ausgefeilter. Doch all das kommt zu spät, um die Größenzunahme des Gehirns erklären zu können. Diese schritt bereits seit drei Millionen Jahren unaufhaltsam voran. 18 Die Werkzeuge herzustellen, die der Homo erectus verwendete, bedurfte keiner besonderen Anstrengung. Jeder war dazu in der Lage, und so war die Technik in ganz Afrika verbreitet. Es gab wenig Erfindungsreichtum und kaum schöpferische Prozesse. Eine ganze Million Jahre lang produzierten die Menschen dieselben langweiligen Faustkeile. Ihr Gehirn war – gemessen am Affenstandard – jedoch bereits riesengroß.
    Rechtshändigkeit, die Wahrnehmung von Formen und die Fähigkeit, von der gewünschten Funktion auf die dazu notwendige Form zu abstrahieren, waren für diese Menschen natürlich nützlich, aber wollte man die Größenzunahme des Gehirns mit der Verstärkung dieser Fähigkeiten erklären, so erscheint dies doch eher unglaubwürdig.
    Die erste rivalisierende Theorie zur Hypothese vom Werkzeugmacher war die Theorie vom »jagenden Mann«. In den siebziger Jahren gab es, ausgelöst durch die Arbeiten Raymond Darts, ein großes Interesse an der Erkenntnis, daß der Mensch der einzige Menschenaffe war, der zu einer fleischhaltigen Ernährung und damit zu einer jagenden Lebensweise übergewechselt war. Zur Jagd, so die logische Überlegung, bedarf es des Vorausdenkens, der List, einer gewissen Koordinationsfähigkeit und der Fähigkeit, bestimmte Methoden und Techniken zu erlernen: wo und wie man Wild aufspürt zum Beispiel, und wie man sich ihm nähert. Alles richtig und doch alles ganz banal. Jeder, der schon einmal einen Film darüber gesehen hat, wie Löwen in der Serengeti Zebras jagen, weiß, wie technisch versiert Löwen bezüglich jeder der oben angeführten Aufgaben sind. Sie pirschen sich an, lauern im Hinterhalt, arbeiten zusammen und überlisten ihr Opfer nicht minder wirkungsvoll als eine Gruppe menschlicher Jäger. Löwen brauchen dazu keine riesenhaften Gehirne, warum also wir? Die Mode vom »jagenden Mann« wich der von der »sammelnden Frau«, doch für sie gelten ganz ähnliche Argumente.
    Um Knollen auszubuddeln, ist es schlicht unnötig, etwas von Philosophie und Sprache zu verstehen. Paviane sind dabei nicht minder geschickt als Frauen. 19
    Eine der faszinierendsten Entdeckungen aus den großen Studien der sechziger Jahre über die Lebensweise der !Kung San in der namibischen Wüste war die Erkenntnis, über welch ungeheure Ansammlung von Wissen zu den lokalen Gegebenheiten die Jäger und Sammler verfügten – welche Art von Wild wann und wo zu jagen ist, wie man Fährten liest, wo man welche Pflanzen findet, welche Pflanzen nach einem Regen zur Verfügung stehen, was giftig ist und was heilt. Melvin Konner schrieb über die !Kung San: »Ihre Kenntnis wilder Pflanzen und Tiere ist tiefgehend und ausführlich genug, um jeden professionellen Botaniker und Zoologen zu lehren und zu beeindrucken.« 20
    Ohne eine

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