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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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wahren Plage entwickelt – man führte einen Rostpilz ein, der sie unter Kontrolle halten sollte: Der Pilz war wirksam gegenüber einer sich ungeschlechtlich fortpflanzenden Brombeerspezies und versagte gegenüber einer Spezies mit sexueller Fortpflanzung. Und was die höheren Ernteerträge von Mischungen verschiedener Gerste- oder Weizenarten im Vergleich zu Monokulturen betrifft, so sind diese zu etwa zwei Dritteln der Tatsache zuzuschreiben, daß Mehltau sich in Mischkulturen weniger leicht verbreitet als in Reinkulturen. 62

Auf der Suche nach Instabilität
    Die Geschichte der Erklärung von Sexualität mit Hilfe der Roten-Königin-Hypothese ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man durch die Vereinigung verschiedener Ansätze bei einem Problem in der Wissenschaft ein großes Stück vorankommen kann. Hamilton und andere haben ihre Überlegungen zum Thema Parasiten und Sexualität nicht einfach aus der Luft gegriffen. Sie sind nur die Nutznießer dreier getrennter Forschungsprojekte, die erst jetzt zusammengefunden haben. Wissenschaftler des ersten kamen zu der Erkenntnis, daß Parasiten Populationen kontrollieren und dazu veranlassen können, Zyklen zu durchlaufen: Die ersten Andeutungen hierzu stammen aus den zwanziger Jahren von Alfred Lotka und Vito Volterra und wurden in den siebziger Jahren von Robert May und Roy Andersson in London weiterentwickelt.
    Wissenschaftler des zweiten Projekts, J. B. S. Haldane und andere, entdeckten in den vierziger Jahren, daß es zahlreiche Polymorphismen gibt, daß von nahezu jedem Gen etliche Versionen zu existieren scheinen und daß es irgend etwas geben muß, was verhindert, daß eine davon alle anderen auslöscht.
    Wissenschaftler des dritten Projekts, Walter Bodmer und andere Mediziner, beobachteten Verteidigungsmechanismen gegen Parasiten und kamen zu der Erkenntnis, daß es krankheitsabwehrende Gene gibt, welche eine Art von Schlüssel-Schloß-System darstellen. Hamilton führte die Ergebnisse aus allen drei Projekten zusammen und erklärte: Parasiten befinden sich in einem immerwährenden Kampf mit ihren Wirtsorganismen, einem Kampf, dessen Strategie in dem ständigen Wechsel von einem Resistenzgen zu anderen besteht – daher die große Anzahl verschiedener Genversionen. Nichts von alledem wäre ohne sexuelle Vorgänge möglich. 63
    Bei allen drei Projekten bestand der Durchbruch für die Forscher darin, die Vorstellungen von Stabilität zu überwinden. Lotka und Volterra waren daran interessiert, in Erfahrung zu bringen, ob Parasiten eine Wirtspopulation stabil kontrollieren können. Haldane wollte wissen, was Polymorphismen so lange stabil erhalten hat. Hamilton dachte anders.
    »Wo andere offenbar an Stabilität interessiert sind, hoffe ich zum Wohle meiner Vorstellung von Sexualität auf soviel Veränderung und Bewegung … wie irgend möglich.« 64
    Die größte Schwäche dieser Theorie bleibt die Tatsache, daß sie Zyklen von Anfälligkeit und Widerstandsfähigkeit voraussetzt: Der Vorteil sollte ständig wie ein Pendel – wenngleich nicht mit dessen Regelmäßigkeit – vor und zurück schwingen. 65 Es gibt in der Natur verschiedene Beispiele regulärer Zyklen: Lemminge und andere Nagerpopulationen erreichen fast alle drei Jahre eine maximale Populationsdichte und nehmen in der Zwischenzeit drastisch ab. Die Moorhühner schottischer Moore durchlaufen regelmäßige Zyklen hoher und niedriger Populationsdichte, wobei zwischen den Maxima ungefähr vier Jahre liegen; die Ursache dafür ist ein parasitischer Wurm. Die Regel sind eher chaotische Schwankungen – wie Heuschreckenplagen – oder ein allmähliches Zu- und Abnehmen wie im Falle der Menschheit. Dabei bleibt die Möglichkeit offen, ob die Zahl der krankheitsresistenten Gene zyklisch ab- und zunimmt. Bisher hat das noch niemand untersucht. 66

Das rätselhafte Rädertierchen
    Nachdem ich nun erklärt habe, weshalb Sexualität existiert, muß ich mich erneut dem Fall der Egelartigen Rädertierchen (Bdelloidea) zuwenden, jenen winzigen Süßwassergeschöpfen, bei denen es überhaupt keine Sexualität gibt – eine Tatsache, die John Maynard Smith als Skandal bezeichnet hatte. Damit die Rote Königin recht behielte, müßten Bdelloidea auf irgendeine andere Weise immun gegenüber Krankheiten sein; sie müßten über einen antiparasitären Mechanismus verfügen, der eine Alternative zur Sexualität darstellt. Auf diese Weise wären sie die Ausnahme von der Regel – statt letztere in Frage zu

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